Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
Vom Netzwerk:
freudestrahlende Miene verdüsterte sich. »Wie beurteilen Sie die politische Lage in Frankreich?« erkundigte er sich unvermittelt.
    Young sah ihn irritiert an. »In Frankreich? Ist etwas Besonderes passiert?«
    »Wollen Sie mich zum Narren halten?«
    »Nicht die Spur. Was ist geschehen?«
    Ravenglass runzelte die Stirn, dann sagte er: »Napoleon ist wieder Kaiser, und England rüstet zur Entscheidungsschlacht.«
    »Tatsächlich? Ach wissen Sie, Baron, wenn man so mit seinen Studien beschäftigt ist wie ich, dann entgeht einem manches.Ich lese keine Zeitungen, und ich würde vermutlich erst dann bemerken, daß Krieg ist, wenn die Franzosen Einquartierungen in meinem Haus vornähmen. Ich lerne gerade Koptisch, müssen Sie wissen; Monsieur Champollion hat in seinem Werk überzeugend darauf hingewiesen, wie wichtig die koptische Sprache bei der Erforschung des Pharaonenreiches ist. Seine verblüffenden Kenntnisse der Geographie des Alten Ägypten beruhen im wesentlichen auf seinen exzellenten Koptisch-Kenntnissen. Ich glaube, das Koptische wird eine entscheidende Rolle bei der Enträtselung der Hieroglyphen spielen.«

38
    Die Kalesche, die an einem Novembermorgen des Jahres 1815 im Auvergne-Städchen Figeac einrollte, erregte schon allein deshalb Aufsehen unter den Einheimischen, weil sie von zwei schwerbewaffneten Kürassieren eskortiert wurde. Es war ein etwas ramponiertes Gefährt, das bessere Zeiten erlebt und edlen Herren gedient zu haben schien. Ein paar Jungen liefen neben dem schwarzen Verschlag her und versuchten, Blicke ins Innere zu erhaschen. Die Kutsche überquerte den kleinen Marktplatz, fuhr in Richtung Stadtrand und hielt am Anfang der Rue de la Bodousquerie. Ein Offizier stieg aus, ihm folgten zwei Männer in Zivil, der eine etwa Mitte Zwanzig, etwas untersetzt, mit dichtem schwarzem Haar, der andere vielleicht zehn Jahre älter, ebenfalls dunkelhaarig, hager und mit auffallend schwermütigem Blick. Eine alte Frau, die das Rädergerassel ans Fenster ihre Hauses gelockt hatte, erkannte die beiden, und wenig später machte im von Neuigkeiten selten heimgesuchten Städtchen eine Nachricht die Runde: Die Söhne des alten Champollion sind wieder da!
    Der Offizier sah schweigend zu, wie die Brüder mit Hilfe des Kutschers ihr Gepäck abluden. Als sie fertig waren, salutierte er flüchtig, stieg wieder ein, und die Pferde zogen an. Kurz darauf erfuhren der Bürgermeister und der städtische Gendarmeriechef die Hintergründe der Ankunft. Die GebrüderChampollion, erklärte der Offizier, seien »nicht mehr Herr ihrer Bewegung«. Seine Majestät, König Ludwig XVIII., habe die Verbannungsorder gegen sie verhängt, und beide dürften Figeac nicht verlassen. Im Falle der Zuwiderhandlung würden sie als vogelfrei gelten, und jeder Beamte hätte die Pflicht, sie aufzuspüren und tot oder lebendig der königlichen Gerichtsbarkeit zu überstellen.
    Der Gendarmeriechef, ein alter, vollbärtiger Hauptmann, erkundigte sich, aufgrund welchen Vergehens die beiden sich den Zorn des Königs zugezogen hätten. Es sei keineswegs dem Zorn, sondern vielmehr der unendlichen Güte Seiner Majestät zuzuschreiben, daß diese beiden Hochverräter immerhin in ihrer Geburtsstadt weilen dürften, lautete die Antwort. Beide seien der Verschwörung gegen Thron und Altar schuldig, beide seien aktive Handlanger des Usurpators Bonaparte gewesen, und man täte gut daran, ein scharfes Auge auf sie zu haben.
    Mit diesen Worten verabschiedete sich der Offizier und ließ zwei Provinzbeamte zurück, die darüber nachgrübelten, was sie jetzt tun sollten. Nach längerer Beratschlagung kam man überein, die Brüder irgendwann in den nächsten Tagen wie beiläufig zu besuchen, um festzustellen, inwieweit diese sich mit ihrem Schicksal zu arrangieren gedächten. Wenn sie fliehen wollten, war ohnehin nichts zu machen. Man konnte doch unmöglich ständig einen Gendarmen als Posten vor das Haus der Champollions stellen; so viele Polizisten besaß Figeac gar nicht. Und das mit dem Hochverrat, beruhigte zuletzt der Hauptmann seinen Bürgermeister und sich selbst, sei gewiß nicht so schlimm gewesen. Erstens hätte man die Champollions andernfalls doch sicherer verwahrt, zweitens kenne er die beiden von früher und könne kaum glauben, daß Umstürzler aus ihnen geworden seien, und drittens wisse in diesen politisch wirren Zeiten ohnehin kein Mensch ganz genau, zu welcher Partei er eigentlich gehöre.
    Während ein paar Steinwürfe entfernt dieser

Weitere Kostenlose Bücher