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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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Passagen zuzuordnen. Aber einzig den Hieroglyphen wohnte jener Zauber inne, der sich mit seiner Begeisterung für das Land der Pyramiden deckte.
    Als die Kutsche in London einrollte, hatte Ravenglass das beruhigende Gefühl, Napoleon werde niemals wieder in der Lage sein, England zu gefährden. Die Aktion des Elba-Flüchtlings erschien ihm jetzt wie ein lächerlich anachronistisches Heldenstück, das schnell dem Ende zustreben würde. Egal, ob er wieder auf den Thron gelangte oder nicht – die Truppen der Verbündeten würden ihn niederwerfen.
    Von dieser Meinung konnten ihn auch die neuesten Zeitungsmeldungen nicht abbringen. Napoleon war in der Tat ein Handstreich gelungen, wie ihn die Geschichte bislang nicht kannte: Ohne einen Schuß hatte er sein Kaiserreich zurückerobert. Ganz Frankreich lag dem Usurpator zu Füßen; Ludwig XVIII. und alle anderen Bourbonen waren in die Niederlande geflüchtet. Der Wiener Kongreß, auf dem die Sieger von 1814 gerade die Neuaufteilung Europas berieten, war vertagt worden; die Verbündeten rüsteten zum Krieg. Lord Castlereagh, der englische Außenminister, hatte Napoleon zum »Feind der Menschheit« erklärt. Diesmal, sagte sich Ravenglass bei der Zeitungslektüre, muß es ihm endgültig an den Kragen gehen. Hoffentlich ist der Spuk schnell vorbei. Aber ein Teufelskerl ist er trotzdem, dieser Bonaparte!
    Als Ravenglass am nächsten Morgen genau an jenem Haus eintraf, vor welchem Young viele Jahre zuvor seine Seiltanz-Kunststücke eingeübt hatte, öffnete ihm ein sichtlich übellauniger Hausherr die Tür.
    »Ah, Sie sind es, Baron«, knurrte er und bat den Alten herein.
    »Was ist los mit Ihnen?« erkundigte sich Ravenglass erstaunt, »Sie wirken gar nicht wie ein erfolgreicher Entzifferer, sondern wie ein alter Brummbär, eine Rolle, die wohl eher mir zusteht. Wer hat Sie inkommodiert?«
    Statt einer Antwort trat der Professor zum Schreibtisch und hielt zwei Briefbögen hoch. »Sacy und Åkerblad«, sagte er zornig. »Ich habe ihnen meine ›Mutmaßliche Übersetzung‹ zugeschickt, und was schreiben mir diese Kaffeebohnenzähler, die noch in hundert Jahren mit der Rosette-Inschrift nichts anfangen könnten?«
    Eine kuriose Pause entstand, die der Baron mit der Frage beendete: »Ja, was schauen Sie mich so an, teilen Sie mir mit, was die Herren schreiben! Oder nein: Erzählen Sie mir lieber erst, wie man Hieroglyphen liest; wenn ich’s mir recht überlege, interessiert mich das mehr.«
    »Herren? Neidhammel!« raunzte Young, der entweder so tat, als hätte er die Bitte des Alten nicht gehört, oder sie wirklich nicht vernommen hatte. »Ich lege ihnen den Schlüssel für den Einstieg ins Demotische in die Hand, und was tun sie? Sie diskreditieren mein Werk! Hören Sie, was Sacy schreibt: ›Man kann wohl häufig die Stelle bestimmen, wo die griechische der demotischen Inschrift entspricht‹ – man , wohlgemerkt, er ja nicht! –, ›aber den Wert der Zeichen selbst ermitteln: das ist die Arbeit, die zu tun wäre, oder wie Äsop sagen würde: Hic Rhodus, hic salta!‹ Und Åkerblad bescheinigt mir folgendes: ›Ich kann den Zweck Ihrer griechisch-demotischen Wort-Zuordnungen nicht einsehen, da sich unsere Bestrebungen doch wohl nicht um die Feststellung der Identität der beiden Texte, sondern um die Lesung des Demotischen drehen müßten. Daß es mit dem Griechischen übereinstimmt, steht ja außer Zweifel.‹«
    Young warf die Briefe auf den Tisch. »Ich werde den Kontaktzu diesen beiden Kleingeistern abbrechen. Sie helfen mir nicht nur nicht weiter, sie versuchen auch noch, sich wichtig zu machen. Sacy ist mir in letzter Zeit sowieso immer unangenehmer geworden. Ständig warnt er mich vor diesem Professor Champollion, dem er lauter gehässige Dinge unterstellt, zum Beispiel, daß er fälschlicherweise von sich behaupte, Teile der Rosette-Inschrift lesen zu können. Ich möge darauf achten, daß Champollion mich nicht plagiiere. Warum sollte er das tun? Ich habe Champollions Ägypten-Werk gelesen, und ich muß sagen, es ist das Beste, was je über das Pharaonenreich zu Papier gebracht wurde. Vermutlich ist Sacy nur neidisch, weil der Schüler den Lehrer meilenweit übertrifft.«
    Ravenglass begriff, daß der Professor sich erst einmal Luft machen mußte, und bezähmte weiterhin seine Neugier. »Und«, fragte er, »kann dieser Franzose die Inschrift etwa lesen?«
    »Vermutlich nicht«, erwiderte Young.
    »Ja, was steht denn in seinem großen Werk über Ägypten?«
    »Alles,

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