Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
Vom Netzwerk:
Stühlen in der Zimmermitte um einen flachen, mit seiner Platte fast den Fußboden berührenden Tisch gruppiert waren. Nachdem er die Schuhe ausgezogen hatte, ließ sich Halil Efendi Mahmud dem Studenten gegenüber auf dem Teppich nieder, kreuzte die Beine und sagte lächelnd: »Ich weiß, für Euch Franken ist es ungewohnt, auf der Erde zu sitzen; Ihr laßt Euch auf Holzgestellen, möglichst weit entfernt vom Boden, nieder, obgleich die Fußböden in Euren Häusern so sauber sind und oftmals sogar mit Wachs eingerieben, daß man getrost auf ihnen schlafen könnte.«
    Ein schmächtiger Mohr servierte wortlos Kaffee in fragilen Porzellanschälchen. Jean-François musterte sein Gegenüber. Halil Efendi Mahmud war ein junger Mann Mitte Zwanzig; nur der volle schwarze Bart, der sein Gesicht und die Lippen umrahmte, hatte ihn beim ersten Anblick älter erscheinen lassen. Seine dunkelbraunen Augen blickten wach und freundlich, während die große, leicht gebogenen Nase seinem Gesicht einen kühnen Anstrich verlieh. »Überhaupt«, fuhr der Ägypter fort, »muß ich die Reinlichkeit der Franken rühmen. Eure Häuser sind fest gebaut, hell und freundlich; Ihr bedeckt die Wände mit gemustertem Papier oder mit Stoffen, damit niemand seine Kleider an einer getünchten Wand beschmutzt. Paris ist außerdem frei von giftigem Ungeziefer – ich habe jedenfalls noch nicht gehört, daß hier jemand von einem Skorpion gestochen wurde. Es ist wunderbar, wie sich die Franken der Sauberhaltung ihrer Wohnungen und Kleider hingeben, genauso wie die Ägypter in alter Zeit die reinlichsten Menschen der Welt waren. Freilich schlagen ihnen ihre Nachkommen, die Kopten, darin gar nicht nach!«
    Jean-François nippte an seinem Schälchen und erlaubte sich einzuwenden: »Ist es Schuld der Kopten? Ich hörte, daß man sie nicht gut behandelt in Ägypten.«
    »Es sind Ungläubige!« fuhr der Orientale auf.
    »Oh! Ihr befindet Euch zur Zeit mitten unter Ungläubigen, und eben noch habt Ihr deren Reinlichkeit gepriesen.«
    Halil Efendi Mahmud senkte den Kopf. »Verzeiht. Ich wollte weder Euch noch Eure Landsleute kränken. Jedem Volk ist eine Frist gesetzt, sagt der Prophet. Nur sind die Kopten in ihrem zivilisatorischen Stand nicht weit entfernt von den schweifenden Beduinen der Wüste, aber desto weiter von den Kulturvölkern wie dem der Franken.«
    »Was hat Euch nach Europa geführt? Warum habe Ihr Eure Heimat verlassen?«
    »Um zu lernen. Solange ein Mensch vertrauensvoll in seinem Glauben ruht, kann Reisen in fremde Länder keinen Schaden tun. Zur Zeit der Kalifen waren wir das vollkommenste aller Länder, doch heute müssen wir die Überlegenheit der Franken anerkennen. Vor neun Jahren landeten Eure Truppen in unserem Land, und ohne große Mühe zerschlugen sie die Herrschaft der Mamelucken, sie warfen die Armee des türkischen Sultans in den Staub, und nur mit Hilfe anderer Europäer, der Engländer, gelang es dem Sultan schließlich, Eure Soldaten zu besiegen. Wir haben uns von der Überlegenheit der Europäer auf den Gebieten der Wissenschaften, der Schiffahrt, der Zivilverwaltung und des Kriegswesens überzeugen müssen. Ägyptens neuer Herrscher, Muhammad Ali Pascha, Allah schenke ihm ein langes Leben, will unser Volk aus dem Schlaf der Lässigkeit erwecken, damit es wieder Anschluß findet an die führenden zivilisierten Nationen. In seinem Auftrag bin ich in Paris.«
    »Und wie gefällt Euch die Stadt?«
    »Gefallen ist, verzeiht, das falsche Wort, denn nicht darum bin ich hier. Ich bewundere den Sinn Eurer Landsleute für die praktischen Dinge. Ägypten ist ein armes, ermattetes Land, Frankreich dagegen ist reich und voller Energie. Eure Häuser haben viele Stockwerke und stürzen trotzdem nicht ein, unsere Städte dagegen verfallen, die Gassen Kairos sind eng, dunkel und kotig. Euer Leben ist organisiert, die meisten Menschen sind mit nützlichen Dingen beschäftigt und geben sich nicht der Muße und Trägheit hin.«
    »Ich hoffe, dieser pöbelnde Trinker hat Eure wohlwollende Einschätzung nicht getrübt.«
    »Es war das erste Mal, daß ich derart behelligt wurde. An die Gaffer habe ich mich gewöhnt. Bereits Ahmed Azmi Efendi, den Sultan Selim III. im Jahre 1790 Eurer Zeitrechnung als Gesandten an den preußischen Hof beorderte, hat berichtet, daß die Leute aus nah und fern zusammenliefen, niederes und höheres Volk, nur um ihn und seine Reisegesellschaft zu begaffen. Neugier ist eine Haupteigenschaft der Europäer, und die klugen

Weitere Kostenlose Bücher