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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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Pariser Tage regelmäßig durchsetzte, und er beschloß, es mit einem Gang vor die Tür zu bekämpfen.
    Ziellos und in Gedanken versunken, lief er in Richtung Seine. Der Fluß war das einzige Stück Paris, das er liebgewonnen hatte, doch diesmal kam er nicht bis an das Ufer, denn ein Zwischenfall hielt ihn auf.
    Auf der Straße kam ihm ein vollbärtiger Mann mit Turban und weitem, beinahe knöchellangem Gewand entgegen. Eine Kinderschar lief, einen gebührenden Abstand haltend, neugierig hinter dem exotischen Menschen her, und auch ältere Passanten drehten die Köpfe nach ihm. Der Fremde ging gleichmütig seines Weges und passierte eine etwas heruntergekommene Kneipe, aus der in diesem Augenblick ein Betrunkener, vierschrötig, mit geflicktem Rock und stumpfen Gesichtszügen, auf die Straße wankte.
    Wie angewurzelt blieb er vor dem Turbanträger stehen und blinzelte. »Ei, sieh da, ein Türke!« lallte er, und als ob der Anblick des Ausländers seinen Rausch erst richtig zur Geltung brachte, begann er unter »Türke, Türke, Türke!«-Rufen um diesen herumzutanzen. Der Orientale wich elegant zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Was wünschen Sie, Monsieur?« fragte er mit kehliger Stimme in gebrochenem Französisch.
    »Haha«, machte der Trunkenbold, »haha – er versucht, französisch zu sprechen. Türke, Türke!«
    Einige Passanten waren stehengeblieben und beobachteten das Schauspiel. Unter ihnen befand sich auch Jean-François.
    Der Orientale schickte sich an, seinen Weg fortzusetzen, doch der andere torkelte ihm vor die Füße, verlor das Gleichgewicht und hieb ihm mit seinen rudernden Armen den Turban vom Kopf. Jean-François sah, daß die Augen des Ausländers böse zu funkeln begannen, und hielt den Zeitpunkt für gekommen, sich einzumischen. Er eilte hinzu, hob den Turban auf und trat zwischen die beiden. »Lassen Sie den Mann in Ruhe!« herrschte er den Trunkenbold an, der blöde blinzelnd weiter sein »Türke, Türke« lallte, es aber vorzog, ein paar Schritte Abstand zwischen sich und den energischen jungen Burschen zu bringen. »Würden Sie bitte Ihres Weges gehen!« forderte ihn Jean-François auf. Der Kerl zögerte einen Moment, blinzelte und trollte sich schließlich, unverständliche Wortfetzen vor sich hin brabbelnd.
    Jean-François reichte dem Orientalen seine Kopfbedeckung. »Efendi, ich bitte Sie, das Benehmen meines Landsmannes zu entschuldigen«, sagte er auf türkisch.
    »Ich danke Euch. Möge Allah Euch diese edle Tat vergelten, aber ich bin kein Türke«, erwiderte der Fremde auf französisch und verneigte sich tief.
    »Dann seid Ihr Araber?« fragte Jean-François in dieser Sprache.
    »Ich bin Ägypter«, entgegnete der Mann, während er seinen Turban ordnete und etwas verwirrt auf dessen Retter sah, der in der gebräuchlichsten Mundart seines Landes zu ihm redete. »Seid Ihr – ein Muslim?« fügte er auf arabisch hinzu.
    »Ich bin Franzose.«
    »Verzeiht, Ihr sagtet ja, ich möge das Benehmen Eures Landsmannes entschuldigen. Aber Ihr seht aus, als hätte Eure Wiege am Ufer des Nils gestanden, und Ihr sprecht, als wären Eure Lehrer Diener Allahs gewesen. Wie kommt das?«
    »Wie sollte ich die Sprache nicht beherrschen, in welcher Allah den Koran geoffenbart hat, gemäß der 20. Sure, Vers 112.«
    Der Ägypter lächelte geschmeichelt, und einige Neugierige, die dem Schauspiel beigewohnt hatten, aber von jenem merkwürdigen Dialog kein Wort mehr verstanden, begannen sich zu zerstreuen.
    »Lassen Sie uns von hier fortgehen«, schlug Jean-François vor.
    »Einverstanden. Darf ich meinem Retter vielleicht mit der Einladung zu einer Tasse Kaffee für seine Tat danken?«
    »Sehr gern. Aber verzeiht, daß ich mich noch nicht vorgestellt habe: Jean-François Champollion, Student am Collège de France.«
    »Sehr erfreut« – der Morgenländer verneigte sich –, »Halil Efendi Mahmud, geboren in Tahta als Sohn einer der angesehensten Familien Oberägyptens, Zögling des berühmten Ulema ‘Abd al-Rahman al-Jabarti und des Scheichs Hasan al-’Attar, Allah erfülle ihre Wünsche im Diesseits wie im Jenseits.«
    Der Ägypter führte Jean-François nicht, wie dieser vermutet hatte, in ein Kaffeehaus, sondern in seine Wohnung, die, nurwenige Minuten Fußweg vom Ort ihres Zusammentreffens entfernt, im zweiten Stock eines gutbürgerlichen Hauses direkt am südlichen Seineufer lag. Halil Efendi Mahmud bat seinen Gast, auf einem der Sitzpolster Platz zu nehmen, die anstelle von

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