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Der Ramses-Code

Der Ramses-Code

Titel: Der Ramses-Code Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Klonovsky
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sind nicht unsere Feinde. Wir bedrohen ihre Handelswege nicht.«
    »Aber wie ich hörte, suchen sie Zugriff auf Ägyptens Altertümer.«
    Halil Efendi Mahmud zuckte mit den Schultern. »Das ist das Geringste. Auch unter den Engländern gibt es Männer, die sich für diese Ruinen interessieren. Sollen sie.«
    Jean-François verzog das Gesicht. »Sie werden Ägypten plündern und die Beute in ihre Museen schaffen!« rief er.
    »Wie soll man Ruinen plündern?«
    »Es sind Schätze, verehrter Efendi!«
    »Ich verstehe Euch Europäer nicht. Warum interessiert Ihr Euch so sehr dafür?«
    »Weil wir glauben, daß die alten Ägypter ein weises Volk waren, das große Leistungen vollbracht hat, von denen wir lernen können, so wie Ihr von uns Franzosen lernen wollt.«
    »Ja, aber Ihr Franzosen lebt und seid mächtig. Das Volk der Pharaonen hingegen ist tot.«
    »Jedes Volk hat seine Geschichte, ohne die es nicht wäre, was es ist, und die man studieren muß, wenn man mehr über sein eigenes Volk zu erfahren wünscht.«
    Halil Efendi Mahmud wiegte den Kopf. »Das mag sein, Efendi Champollion. Jedenfalls weiß ich es zu schätzen, daß Ihr Euch für unser Land und seine Geschichte begeistert.«
    »Ja, ich leide sozusagen an Orientalitis.«
    »Und ich an Okzidentose«, versetzte Halil Efendi Mahmud, und beide mußten lachen.
    Es dämmerte bereits, als Jean-François aufbrach. Beide versicherten, daß man einander unbedingt wiedersehen müsse, und der Orientale verabschiedete seinen Gast, indem er vor ihm sein Salamat machte, ganz so, als wäre Jean-François ein echter Muslim.

14
    Jean-François schritt die von hohen alten Pappeln flankierte Hauptallee entlang auf die Parkfront des Tuilerien-Schlosses zu und dachte an Madame Deschampes. Er flanierte schon zwei Stunden durch die ehemals königlichen Schloßgärten, deren Wasserspiele wegen der niedrigen Temperaturen stillgelegt waren. Wie er gehört hatte, gab sich halb Paris allsonntäglich hier ein Stelldichein; sofern also überhaupt irgendeine Gelegenheit existierte, die gletscheräugige Schöne wiederzusehen, hatte er geschlußfolgert, dann in den Tuileriengärten. Aber dieser Dezembertag war bereits entschieden zu kalt, als daß sich noch Spaziergänger in größerer Zahl zeigen wollten, und bei den wenigen, die den Weg des Studenten kreuzten, handelte es sich um einzelgängerische Herren.
    Er war bis auf Steinwurfweite ans Schloß herangekommen, über dem die Trikolore flatterte, die blau-weiß-rote Fahne der Republik, beherrscht vom Signum einer neuen Ära: Napoleons goldenem Initial »N«, umrankt von einem ebenfalls goldenen Lorbeerkranz. Gardegrenadiere mit Bärenfellmützen, die vor dem Palais patrouillierten, beäugten den einsamen Spaziergänger argwöhnisch. Vermutlich ist der Kaiser anwesend, und sie halten mich für einen Attentäter, dachteJean-François und machte kehrt. Er lauschte, ob hinter ihm nicht Stiefel knirschten, doch die Befürchtung erwies sich als unbegründet. Vermutlich halten sie mich bloß für einen Verrückten, überlegte er, oder für einen Gemütskranken, der sich kalte Füße holt, weil er nichts Gescheiteres zu tun weiß.
    Es begann zu dämmern, und er schritt eiliger aus, um den Park in Richtung Seine zu verlassen. Zwei Damen kamen ihm entgegen, beide in lange Mäntel gehüllt, Wolltücher um den Hals und unterm Kinn festgezurrte Hüte tragend. Für einen Augenblick glaubte er, in der zierlicheren Madame Deschampes zu erkennen, doch dann bemerkte er, daß unter ihrem Hut rote Haare hervorschauten. Sie war vielleicht Anfang Zwanzig, die andere Mitte Dreißig; die Jüngere wirkte sehr schlank und war durchaus ansehnlich, nicht so schön wie Madame Deschampes, aber eben mädchenhaft hübsch mit ihrem etwas zu stark geschminkten Mund, grünäugig und stupsnäsig. Die Ältere dagegen hatte etwas Matronenhaftes, ihr schwarzes Haar ging stellenweise ins Aschfahle über, sie trug noch mehr Schminke als ihre Begleiterin, und unter ihrem Mantel zeichnete sich ein enormer Busen ab. Die Damen blieben vor Jean-François stehen, und die Ältere sagte: »Nanu, Monsieur, so allein hier unterwegs?«
    Jean-François war völlig verblüfft darüber, daß die beiden ihn einfach ansprachen. »Ich war nur auf der Suche«, stammelte er.
    »Wonach denn, Monsieur?« erkundigte sich die Ältere.
    »Ach, das ist nicht so wichtig.«
    »Suchten Sie vielleicht Gesellschaft?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Nun, ein junger Mann, allein, am Sonntagabend beim

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