Der Raritätenladen
so oder sollte doch so sein nach dem, was der Pfarrer in der Kapelle sagt.«
» Der wird viel davon wissen«, entgegnete Kit verächtlich. »Wir wollen warten, bis er eine Witwe ist und arbeiten muß wie Ihr und so wenig kriegt und so viel tut und ebensowenig den Mut verliert, und dann will ich ihn fragen, wieviel Uhr
es ist, und ihm glauben, daß ers auf eine halbe Sekunde hin trifft.«
»Nun ja«, sagte Frau Nubbles, um das Thema abzubrechen. »Dein Bier steht unten bei der Kaminplatte, Kit.«
»Richtig«, versetzte der Sohn, indem er den Porterkrug hervorholte. »Auf meine Liebe zu Euch, Mutter! Und auch des Pfarrers Gesundheit, wenn Ihr so wollt! Ich habe keinen Groll auf ihn – gewiß nicht.«
»Hast du nicht eben gesagt, daß dein Herr diesen Abend nicht ausgegangen ist?« fragte Frau Nubbles.
»Ja«, antwortete Kit; »schlimm genug.«
»Ich glaube, du solltest lieber sagen, um so besser«, entgegnete seine Mutter, »weil nun Miß Nelly nicht allein sein muß.«
»Ach, das habe ich vergessen!« sagte Kit. »Ich sagte, ›schlimm genug‹, weil ich seit acht Uhr unablässig wartete und nichts von ihr zu sehen bekam.«
»Ich möchte wohl wissen, was sie sagte«, rief seine Mutter, indem sie in ihrer Arbeit innehielt und umherschaute, »wenn sie wüßte, daß du jede Nacht, in der sie, das arme Ding, allein an jenem Fenster sitzt, auf der offenen Straße Schildwache stehst, aus Furcht, es möchte ihr ein Leids geschehen, und daß du, wenn du auch noch so müde bist, nicht von der Stelle weichst oder nach Hause in dein Bett gehst, bis du glaubst, daß sie wohlbehalten in dem ihrigen liegt.«
»Kümmert Euch nicht darum, was sie sagen würde!« erwiderte Kit mit einem Anflug von Erröten auf seinem ungeschlachten Gesicht; »sie wird es nie erfahren und daher auch nie etwas sagen.«
Frau Nubbles bügelte schweigend einige Minuten fort, holte sich dann ein anderes Eisen vom Kamin und blickte verstohlen auf Kit, während sie es auf einem Brett abrieb und mit
einem Lappen abstäubte, ohne jedoch etwas zu sagen, bis sie wieder zu ihrem Tisch zurückgekehrt war; nun hielt sie das Eisen in einer beunruhigend kleinen Entfernung gegen ihre Wangen, um seine Temperatur zu erproben, blickte lächelnd umher und meinte:
»Ich weiß, was gewisse Leute sagen würden, Kit …«
»Possen!« fiel ihr Kit ins Wort, der vollkommen begriff, was nun folgen sollte.
»Nein, aber sie würdens wirklich tun. Gewisse Leute würden sagen, du seist in sie verliebt; ich weiß, das würden sie.«
Kit antwortete hierauf nur durch ein verschämtes: »Ach, Mutter, laßt mich in Ruh!« und bildete unterschiedliche, wunderliche Figuren mit seinen Armen und Beinen, die von sympathetischen Verdrehungen seines Gesichtes begleitet wurden. Da ihm aber diese Mittel die gesuchte Erleichterung nicht boten, so biß er von dem Brot und Fleisch einen ungeheuren Mundvoll ab und tat einen raschen Zug aus der Porterkanne, durch welche künstliche Beihilfe er sich beinahe erstickte und eine Abschweifung von dem Gegenstand erwirkte.
»Aber ernsthaft gesprochen, Kit«, sagte die Mutter, nach einer Weile das Thema von neuem aufnehmend, »denn natürlich war es eben erst nur Scherz von mir; es ist sehr gut und verständig von dir, und es sieht dir gleich, so zu handeln, daß du es niemand wissen lässest, obgleich ich hoffe, daß sie es eines Tages erfahren wird; denn ich bin überzeugt, sie würde dir sehr dankbar dafür sein und es wohl zu schätzen wissen. Es ist grausam, das liebe Kind so eingesperrt zu halten, und ich wundere mich nicht mehr, daß der alte Herr es vor dir geheimhalten will.«
»Was fällt Euch ein?« entgegnete Kit; »er glaubt nicht, daß es grausam ist, und beabsichtigt auch gar nicht so etwas, denn sonst würde er es gewiß nicht tun – ich bin überzeugt, Mutter,
er würde es nicht tun für alles Gold und Silber in der Welt. Nein, nein, er täte es nicht. Ich kenne ihn ganz anders.«
»Aber weshalb tut ers denn, und warum hält er sie so von dir abgeschlossen?« fragte Frau Nubbles.
»Ich weiß es nicht«, antwortete ihr Sohn. »Wenn er es nicht versucht hätte, so gar geheim damit vor mir zu tun, so würde ich es wohl nie ausfindig gemacht haben; aber eben weil er mich abends loswerden wollte und mich immer viel früher fortschickte als sonst, das machte mich erst begierig, herauszukriegen, was da vorging. Horch! – was ist das?«
»Es ist nur jemand draußen.«
»Es kommt jemand herüber«, sagte Kid horchend, »und noch
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