Der Rat der Zehn
ertönte hinter ihm. Er fühlte den Haken durch seinen Schuh schneiden, schlüpfte aus ihm heraus und kroch den Rest des Weges zur Brücke hoch. Er hörte den Haken gegen Stahl klirren, als er auf die Füße sprang und den Gehweg entlangrannte. Augenblicklich erreichte ihn das Dröhnen schwerer Schritte. Er blickte zurück und sah den Riesen auf ihn zurasen, mit erhobenem Haken, bereit zu töten. Es war unmöglich, ihm zu Fuß zu entkommen. Es gab nur noch eine Möglichkeit. Drew packte das Brückengeländer und begann sich hinüberzuhieven. Er hörte sich selbst schreien, als sich das Monster über ihm erhob. Der Haken schnitt durch sein Hemd und machte einen dünnen Riß seinen Rücken hinunter, aber dies reichte nicht aus, seinen Sprung zu stoppen. Sein Schmerzensschrei kam, als er durch die Luft flog, jetzt unfähig, seine Position in Relation zum Wasser zu erkennen. Er prallte hart auf, seine Zähne knirschten, aber glücklicherweise war er bei Bewußtsein geblieben. Benommen begann er mit den Armen zu paddeln und verkrampfte sich gegen das Wissen, daß ein weiterer Aufschlag im Wasser bedeuten würde, daß das Monster ihm folgte und er erledigt war.
Er glaubte bereits den Riesen kommen zu sehen. Aber der Aufschlag kam nicht, und nichts kam aus den dunklen Tiefen. Drews Schwimmbewegungen wurden ruhiger, und er bewegte sich in Richtung Ufer. Als er hochblickte, sah er, daß die Brücke leer war. Er konzentrierte sich auf die Aufgabe vor ihm, aber etwas anderes drängte sich in seine Gedanken: Wenn das weiße Pulver, das die Großmütter geschmuggelt hatten, kein Kokain war – was war es dann?
Teil 5
Weisses Pulver
20
Der Anruf kam nachmittags. Es klingelte direkt in Issers Büro. Das plötzliche Klingeln schreckte den Mossadchef auf, und er griff nach dem Hörer.
»Ja?«
»Hier ist Elliana, Isser.«
»Ellie, diese Nummer, wie …«
»Das ist nicht wichtig. Letzte Woche in deinem Büro wolltest du Beweise, Isser, Beweise, daß der Rat der Zehn existiert. Ich denke, ich habe sie.«
»Wo bist du?«
»Das ist nicht wichtig. Und ich habe nicht vor, lange genug in der Leitung zu bleiben, daß es jemand herausfinden kann. Nichts ist sicher, Isser, noch nicht einmal der Ort, an dem du bist. Zwei Männer versuchten mich in Prag zu töten. Sie waren vom Mossad.«
»Was?«
»Ich erinnere mich nicht an ihre Namen. Einer war bärtig. Hat mit mir an der Befreiungsaktion im Libanon gearbeitet. Es ist alles in den Akten. Du wirst herausfinden, daß er verschwunden ist.«
»Ellie, was du sagst, ergibt keinen Sinn.«
»Nein? Der Mossad ist infiltriert, Isser. Selbst unsere geheiligten Hallen sind nicht mehr sicher. Ich komme dem Rat zu nahe, also haben sie mobil gemacht. Spüre den Hintergrund des bärtigen Mannes auf, seine Vergangenheit. Du wirst einen Anhaltspunkt finden, eine Spur, die ihn mit dem Rat verbindet.«
»Dann ist dein Beweis ein schurkiger Agent, der versuchte, dich zu töten. Er könnte genausogut von mir geschickt worden sein.«
»In diesem Fall hättest du keinen Grund gehabt, mich überhaupt erst Prag erreichen zu lassen. Aber der Rat mußte dort auch meine Kontaktperson aus dem Weg räumen. Sie mußten warten.«
»Dann komm zurück. Bleib unter unserem Schutz, während ich das überprüfe.«
»Nein, Isser. Ich würde ihnen direkt in die Hände laufen. Wir können nicht sagen, wie weit sie uns infiltriert haben. Ich bin allein sicherer hier draußen.« Sie unterbrach sich. »Ich erwarte nicht, daß du mir jetzt schon glaubst. Aber überprüfe, was ich gesagt habe. Folge den Spuren. Und, um Gottes willen, mach es allein. Vertraue niemandem.«
»Falls ich etwas finden sollte, werden wir dir hundertprozentige Rückendeckung geben. Wenn aber nicht, dann werde ich einen toten Agenten haben, der von dir getötet wurde. Du weißt, was das bedeuten würde.«
»Das wäre dann auch egal. Glaub mir, es wäre egal.«
Ellie legte auf. Sie hatte von einem Postamt in der Nähe von Berga angerufen, einen Tag nachdem sie Getaria verlassen hatte. Sie wußte wenig mehr über Berga als die Tatsache, daß sie, wie viele andere Städte im nördlichsten Teil von Spanien nahe der französischen Grenze, von der Textilindustrie beherrscht wurde. Die meisten der vierzehntausend Einwohner lebten in irgendeiner Form von dieser Industrie, und Fabriken verschiedener Größe und Modernität prägten das Straßenbild.
Berga lag am Fuße einer Berglandschaft, die Queralt Sierra genannt wurde. Ein gewaltiges,
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