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Der Rattenfänger

Der Rattenfänger

Titel: Der Rattenfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James McGee
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hat Anzeige erstattet. Officer Warlock wurde damit beauftragt, der Sache nachzugehen.«
    »Und das war das letzte Mal, dass ihn jemand in diesem Büro lebend gesehen hat?«
    Der Sekretär nickte betrübt.
    Die Tatsache, dass niemand im Amt Henry Warlock ein paar Tage vermisst hatte, mochte für einen Außenseiter zwar nicht nachvollziehbar sein, aber eine längere Abwesenheit der Runner war im Verlauf einer Ermittlung oft unumgänglich und stellte keinen Grund zur Sorge dar – viel eher das Verschwinden des Uhrmachers Josiah Woodburn.
    Wo soll ich nur ohne präzise Hinweise mit den Ermittlungen beginnen?, fragte sich Hawkwood verzweifelt.
    »Also gut«, sagte er schließlich. »Was wissen wir über diesen Uhrmacher? Gibt es irgendwelche dunklen Punkte in seinem Leben, außer der Tatsache, dass er Mitglied der presbyterianischen Kirche ist?«
    Ezra Twigg hatte zwar Erkundigungen eingezogen, aber nichts Ungewöhnliches entdecken können. Londons Uhrmacher genossen höchstes Ansehen und innerhalb dieser ehrenhaften Zunft war der Name Woodburn hoch geschätzt. Seit beinahe zweihundert Jahren hatte die Familie Uhren für Könige, Prinzen, Kaufleute und Maharadschas entworfen und angefertigt. Der Name Woodburn garantierte höchste Qualität. Über Josiah Woodburn war wenig bekannt, außer dass er achtundsechzig Jahre alt, seit zehn Jahren Witwer war und mit seiner Enkelin, die er nach dem Tod ihrer Eltern zu sich genommen hatte, in seinem Haus lebte. Er war ein ehrenwerter Mann und zählte zu den Säulen der Gesellschaft.
    Da diese Informationen für Hawkwood wenig aufschlussreich waren, blieb ihm nur eins übrig: Er musste ganz von vorne beginnen und Warlocks Ermittlungen zurückverfolgen. Eine zeitaufwendige aber unumgängliche Prozedur.
    »Darf ich annehmen, dass wir zumindest Woodburns Adresse haben?«, fragte Hawkwood. »Oder ist das zu viel verlangt?«
    Der Sekretär tat beleidigt, seufzte resigniert und fragte: »Ist Sarkasmus nicht die unterste Stufe des Witzes, Mr. Hawkwood?«
    »Ach, tatsächlich?«, entgegnete Hawkwood ungerührt.
    Ezra Twigg kritzelte die Adresse auf einen Zettel, gab ihn Hawkwood und fügte hinzu: »Für Sie wurde eine Nachricht abgegeben.«
    »Eine Nachricht?«, sagte Hawkwood erwartungsvoll, denn er hoffte auf ein Zeichen von Jago. Aber er wurde enttäuscht, denn Lomax, der Exmajor der Dragoner und jetzige Officer der Reiterpatrouille, bat ihn um ein Treffen im Four Swans in Bishopsgate zwischen fünf und sechs Uhr am selben Abend. Wahrscheinlich geht es um den Überfall auf die Kutsche, dachte Hawkwood.
    Er steckte den Zettel mit der Adresse des Uhrmachers in seine Westentasche und griff nach seinem Rock. Da hörte er ein Murmeln hinter sich und drehte sich um. »Haben Sie etwas gesagt, Mr.Twigg?«, fragte er.
    Der Sekretär kauerte mit gesenktem Kopf an seinem Schreibtisch. Erst als Hawkwood zur Tür ging, blickte Twigg auf. »Ich habe nur gesagt, Sie sollten vorsichtig sein, Mr. Hawkwood.«
    Hawkwood blieb in der offenen Tür stehen und grinste.
    »Aber, Ezra, Sie machen sich ja Sorgen um mein Wohlbefinden. Ich bin gerührt.«
    Twigg verzog keine Miene, spähte über den Rand seiner Brille und sagte: »Wenn das so ist, darf ich Ihnen dann noch einen guten Rat mit auf den Weg geben, Mr. Hawkwood?«
    »Natürlich, Mr.Twigg.«
    Ezra Twigg Mundwinkel zuckten, als er sagte: »Ich an Ihrer Stelle, Mr. Hawkwood, würde keine fremden Frauen ansprechen.«

10
    Josiah Woodburns Werkstatt befand sich in Clerkenwell, einem armen Viertel, in dem nach der Gemeinde St. Luke’s die meisten Uhrmacher Londons angesiedelt waren. Dort übten auf engstem Raum, in niedrigen Dachkammern und düsteren Kellern Goldschmiede, Graveure, Emaillierer und Gehäusehersteller ihr Handwerk aus. Das Wohnhaus des Uhrmachers am Strand wirkte trotz der feinen Umgebung eher bescheiden. Auf einem kleinen, unauffälligen Schild war JOSIAH WOOD-BURN, UHRMACHER und das Wappen der Ehrenwerten Zunft der Uhrmacher eingraviert. Hier empfing Josiah Woodburn seine anspruchvollsten und reichsten Kunden.
    Allein das Fehlen jeglichen Luxus im Gegensatz zu seinen Nachbarn zeugte von Woodburns Ansehen. Als Meister seines Handwerks hatte er es nicht nötig, seine Artefakte in kunstvoll dekorierten Schaufenstern auszustellen oder in protzigen Anzeigen anzupreisen. Allein der Name Woodburn garantierte ihm einen Kreis erlesener Stammkunden, die er jedoch nur nach einem vorher vereinbarten Termin empfing.
    Das erklärte auch das

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