Der rauchblaue Fluss (German Edition)
Mandschu-Despoten leiden.«
»Aber Mr. Slade!« Das war die Stimme von Charles King. »Wenn die Freiheit lediglich ein Stock ist, mit dem Sie auf andere eindreschen, hat dann das Wort nicht jeden Sinn verloren? Sie tadeln Lord Palmerston, Sie tadeln Captain Elliott, Sie tadeln den Kaiser von China – doch Sie erwähnen mit keiner Silbe die Ware, die uns in die jetzige Zwangslage gebracht hat: Opium.«
Slades Hängebacken zitterten gewaltig, als er sich seinem bärtigen Herausforderer zuwandte. »Nein, Mr. King«, sagte er. »Ich habe das Opium nicht erwähnt, und ich habe auch von keinem Ihrer anderen Steckenpferde gesprochen. Und ich werde es auch nicht tun, solange Ihre himmlischen Freunde nicht offen eingestehen, dass sie selbst die stärksten Triebkräfte dieses Handels sind. Dadurch, dass wir sie mit den Gütern beliefern, die sie verlangen, handeln wir lediglich gemäß den Forderungen des Freihandels … «
»Und die Forderungen des Gewissens, Mr. Slade?«, fragte Charles King. »Was ist damit?«
»Können Sie sich vorstellen, Mr. King, dass es ohne die Freiheit des Handels so etwas wie Gewissensfreiheit geben könnte?«
Bevor Charles King antworten konnte, schaltete sich Jardine ein. »Aber trotz alledem, Slade, Sie übertreiben es doch wirklich, oder nicht? Ich verstehe nicht, wozu es gut sein soll, den Außenminister derart rüde anzugreifen. Und Captain Elliott ist lediglich ausführendes Organ – ihm sollten wir nicht mehr Einfluss zuschreiben, als ihm zukommt.«
Slade öffnete den Mund, um zu antworten, wurde aber durch das Erscheinen des Desserts abgelenkt, bei dem es sich um einen cremigen »Sägemehlpudding« – serradura – handelte, mit einer Schicht knuspriger Semmelbrösel darauf.
Mr. Lindsay ergriff geistesgegenwärtig die Gelegenheit und schlug mit dem Messer an sein Glas.
»Gentlemen, in einer Minute werden wir auf die Königin trinken. Doch zuvor habe ich eine gute Nachricht, die ich mit Ihnen teilen möchte. Wie Sie wissen, geht meine Amtszeit als Präsident der Handelskammer in wenigen Monaten zu Ende. Üblicherweise benennt der scheidende Präsident den Nachfolger. Ich freue mich zu verkünden, dass unser nächster Amtsinhaber jemand ist, der dafür sorgen wird, dass Mr. Jardine auch nach seiner Abreise zumindest im Geiste noch unter uns weilen wird. Denn es ist kein anderer als Mr. Jardines bester Freund: Mr. Wetmore.«
Unter lebhaftem Applaus erhob sich Mr. Wetmore.
»Ich bin gerührt, zutiefst gerührt, dass mir in einer Zeit wie dieser die Verantwortung der Führerschaft übertragen wird.« Er hielt inne, um sich zu räuspern. »Das tröstet mich, mit Verlaub, ein wenig über den Verlust von Mr. Jardine hinweg.«
Auch dies wurde mit lautem Klatschen belohnt. Während er in den Applaus einfiel, bemerkte Bahram, dass seine beiden Tischnachbarn einander zulächelten und Blicke wechselten,die auszudrücken schienen: »Hab ich’s Ihnen nicht gesagt?«
Im Schutz des Lärms beugte sich Dent zu Bahram hinüber und sagte ihm ins Ohr: »Sehen Sie jetzt, Barry, wie man sich bei uns so dieses und jenes vom Halse schafft?«
Bahram entschied sich für eine vorsichtige Reaktion: »Wie meinen Sie das, Lancelot?«
Leise, aber mit eindringlicher Stimme erwiderte Dent: »Wir stehen an einem Scheideweg, Barry, und ich finde nicht, dass wir die Führung haben, die wir brauchen.«
Er brach ab, als Mr. Lindsay sich erhob, das Glas in der Hand. »Gentlemen, auf die Queen … «
Nach dem Toast auf die Königin erklärte Mr. Lindsay, dass der Abend noch lange nicht vorüber sei. Auf ein Zeichen von ihm glitten die Schiebetüren zwischen dem Speisesaal und dem Empfangsraum auf: Zum Vorschein kamen drei Geiger, die ihre Notenständer aufbauten. Sie stimmten einen Walzer an, und Mr. Lindsay bedeutete seinen Gästen, sich zu erheben. »Kommen Sie, Gentlemen, dies wäre kein kantonesischer Abend, wenn er nicht mit Tanz ausklingen würde. Gewiss werden Mr. Jardine und Mr. Wetmore wie schon so oft mit gutem Beispiel vorangehen.«
Während sich nun rings um den Tisch Paare bildeten, wurde Bahram klar, dass er sich zwischen Mr. Slade und Mr. Dent entscheiden musste. Er wandte sich eilends nach rechts: »Darf ich bitten, Lancelot?«
»Oh, gewiss doch, Barry«, sagte Dent. »Aber kann ich vorher noch kurz etwas mit Ihnen besprechen?«
»Natürlich.«
Dent fasste ihn unter und führte ihn auf den breiten Balkon des Speisesaals. »Sie müssen wissen, Barry«, sagte er leise, »dass wir in einer Krise
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