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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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wollen.«
    Mr. Jardine zog die Augenbrauen hoch. »Bitte, Mr. Slade, ich bin nicht sicher, ob ich Sie richtig verstanden habe.«
    »Nun denn, Sir«, fuhr Mr. Slade mit seiner dröhnenden Stimme fort. »Lassen Sie es mich direkt ansprechen: Es geht das Gerücht, Sie hätten einen detaillierten Kriegsplan ausgearbeitet und hegten die Hoffnung, Lord Palmerston, den Außenminister, überreden zu können, ihn in die Tat umzusetzen. Ist da etwas Wahres dran?«
    Jardines Lächeln flackerte kein bisschen: »Ich fürchte, Sie überschätzen meinen Weitblick ebenso wie meinen Einfluss, Mr. Slade. Lord Palmerston hat mich nicht um Rat oder Hilfe gebeten – obwohl Sie sicher sein dürfen, dass ich, würde er es tun, nicht zögern würde, sie ihm zu gewähren.«
    »Freut mich zu hören, Sir.« Mr. Slades Stimme wurde noch lauter. »Und sollten Sie zufällig Mr. Palmerston begegnen, bitte ich Sie, ihm in unser aller Namen ihre Meinung auseinanderzusetzen.«
    »Was genau sollte ich da Ihrer Ansicht nach sagen, Mr. Slade?«
    »Nun, Sir«, sagte Slade, »aus meinen Ansichten mache ich kein Geheimnis: Ich habe sie wiederholt im Register dargelegt. Ich möchte, dass Sie Seiner Lordschaft sagen, dass er uns wieder und wieder enttäuscht hat. Er ist ohne Zweifel ein Mann von überragenden Fähigkeiten, deshalb hatten wir gehofft, er werde die Bedeutung von Handel und Gewerbe für die Zukunft des Empire erkennen. Doch alles, was er bislang zum Schutz und zur Förderung der britischen Ausfuhren nach China unternommen hat, ist auf blamabelste Weise fehlgeschlagen. Ich würde ihn zu der Einsicht drängen, dass es ein Fehler war, einen Mann wie Captain Elliott zum Bevollmächtigten der Regierung Ihrer Majestät in China zu ernennen. Captain Elliott hat diese Position einzig aufgrund seiner gesellschaftlichen und politischen Beziehungen erlangt – er versteht nichts von Finanzdingen, und als Militär vermag er nie und nimmer die Prinzipien des Freihandels zu erfassen. Daraus folgt, dass er die Interessen von Männern wie uns nicht hinreichend vertreten kann. Wir sind es aber, die über unsere Steuern die Gehälter von Männern wie ihm bezahlen – einer Klasse mit Ämtern gesegneter Schmarotzer, die ständig zahlreicher zu werden scheint. Das ist skrupellos, Sir, und dies muss Seiner Lordschaft vor Augen geführt werden. Ich würde in ihn dringen, seine Politik zu ändern und nicht länger sein Vertrauen in Soldaten, Diplomaten und andere Regierungsvertreter zu setzen. Wir leben in einem neuen Zeitalter, das durch Handel und Gewerbe geformt und geprägt wird. Seine Lordschaft täte besser daran, gemeinsame Sache mit Männern wie uns zu machen, die hier vor Ort und mit den Verhältnissen dieses Landes vertraut sind; er sollte unseren führenden Kaufleuten zutrauen, unsere Interessen in bester Weise zu vertreten. Seine Lordschaft sollte gewarnt werden, dass, sollte er beabsichtigen, so weiterzumachen wie bisher, die Zukunft für britische Untertanen in diesem Land in der Tat finster aussieht: Wäre er nicht untätig geblieben, die Situation hätte sich nie und nimmer in dieser Weise zuspitzen können. Und man sollte ihn ebenfalls warnen, dass er, falls er diesen Weg weiter beschreitet, auch selbst nicht ungeschoren davonkommen wird. Er wird feststellen, dass er für sein Ministeramt teuer bezahlt, wenn er dafür die Ehre und die Interessen seines eigenen Landes aufs Spiel setzt.«
    In der beklommenen Stille, die nun eintrat, trugen die Kellner einen weiteren Gang auf: Obwohl Bahrams Aufmerksamkeit durch Mr. Slades nicht endendes Donnerwetter in Anspruch genommen war, entging ihm nicht, dass die Speise, die jetzt serviert wurde, die Krone der macanesischen Küche war: Galinha Africana – gegrilltes Hühnchen mit einer nach den Gewürzen Mosambiks duftenden Kokossoße.
    Niemand außer ihm nahm davon Notiz. Vom anderen Ende der Tafel warf Mr. Lindsay Mr. Slade einen finsteren Blick zu. »Sie sollten sich glücklich schätzen, John, dass Sie in England geboren worden sind. In manchen Ländern kann es einen Mann durchaus seinen Kopf kosten, wenn er gegenüber der Obrigkeit einen solchen Ton anschlägt.«
    »Glauben Sie mir, Sir«, erwiderte der Donnerer, »ich weiß den Wert meiner Freiheiten sehr wohl zu schätzen. Nichts würde mir größeres Vergnügen bereiten, als zu sehen, wie sie auch den zahllosen Millionen zuteil würden, die unter dem Joch der Tyrannei stöhnen, zuallererst den Unglücklichen, die unter der Herrschaft des

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