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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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spuckend aufsetzte, und ihre Gegenwart kam ihm so real vor, dass er die Hand nach ihr ausstreckte – doch dann merkte er, dass er nur in Vicos Laterne blickte.
    Seine Hände griffen instinktiv zu seinem kusti – dem aus zweiundsiebzig Wollfäden geknüpften heiligen Gürtel, den er stets um die Taille trug. Seit seiner Kindheit war sein kusti der Talisman gewesen, der ihn vor den Schrecken des Unbekannten beschützte, doch als er ihn jetzt berührte, stellte er fest, dass auch er von Matsch durchtränkt war.
    Und dann war mitten im Heulen des Sturms ein fürchterliches Brechen, Krachen und Splittern zu hören, als würde das Schiff auseinandergerissen. Es holte steil nach Steuerbord über, sodass Vico und Bahram die Planken hinabrutschten. Während sie in dem Winkel zwischen Deck und Bordwand lagen, kamen lose Opiumkugeln angeschossen und krachten in das Holz. Jede Kugel war eine beträchtliche Summe Geldes wert, doch daran dachten jetzt weder Bahram noch Vico. Die Anahita hatte inzwischen so starke Schlagseite, dass sie jeden Moment zu kentern drohte.
    Doch das Gewicht seines Kiels bewahrte das Schiff letztlich vor dem Umkippen, und es richtete sich, ganz langsam, wieder auf. Es schaukelte erst nach der einen, dann nach der anderen Seite und fand dann doch ein prekäres Gleichgewicht.
    Wie durch ein Wunder brannte Vicos Laterne noch. Als das Schwanken nachließ, fragte Vico: »Patrão? Was ist passiert? Warum sehen Sie mich so an? Was haben Sie gesehen?«
    Bahram warf seinem Zahlmeister einen Blick zu und erschrak: Vico war vollständig mit braunem Schlamm bedeckt, vom pechschwarzen Haarschopf bis hinab zu den Stiefelspitzen. Der Anblick war umso bestürzender, als Vico stets größten Wert auf ein tadelloses Äußeres legte und europäische Kleider trug; jetzt aber waren sein Hemd, seine Weste und die Hose so dick mit Opium verkrustet, dass sie geradezu mit seiner Haut verwachsen schienen. Seine vorstehenden Augen dagegen wirkten fast irrsinnig hell im matten Dunkel seines triefenden Gesichts.
    »Wovon reden Sie, Vico?«
    »Als Sie eben die Hand ausgestreckt hatten, Patrão, sah es aus, als hätten Sie ein Gespenst gesehen.«
    Bahram schüttelte brüsk den Kopf: »Kai nai – es war nichts.«
    »Aber Patrão – Sie haben auch einen Namen gerufen.«
    »Freddys Namen?«
    »Ja, aber Sie haben seinen anderen Namen gerufen, den chinesischen … «
    »Ah Fatt?«
    Das war ein Name, den Bahram fast nie benutzte, wie Vico wohl wusste. »Unmöglich – Sie müssen sich verhört haben.«
    »Nein, Patrão, wenn ich es doch sage. Ich hab’s genau gehört.«
    Bahrams Kopf war jetzt wie benebelt, und seine Zunge wurde immer schwerer. Er murmelte: »Es müssen die Dämpfe gewesen sein … das Opium … das Opium … ich habe Dinge gesehen, die gar nicht da waren.«
    Vico runzelte besorgt die Stirn, fasste Bahram am Ellbogen und dirigierte ihn sanft zu der Leiter. »Sie müssen in Ihre Suite zurückkehren und sich ausruhen, Patrão. Ich kümmere mich hier um alles.«
    Bahram sah sich im Laderaum um: Nie zuvor war sein Geschick so eng mit einer einzigen Schiffsladung verknüpft und ihm dennoch das Schicksal seiner Ware so völlig gleichgültig gewesen.
    »Na gut, Vico«, sagte er. »Lenzen Sie den Laderaum und sehen Sie zu, dass Sie retten, was zu retten ist; und lassen Sie mich wissen, wie hoch der Schaden ist.«
    »Ja, Patrão; passen Sie jetzt auf, gehen Sie langsam.«
    Beim Hinaufsteigen erschien Bahram die Leiter unerklärlich hoch. Ob es am Schwanken des Schiffs lag oder an seinem Schwindelgefühl, wusste er nicht, doch er ließ sich Zeit, klomm bedächtig empor und legte auf jeder Sprosse eine Pause ein. Als er oben ankam, warteten bereits fünf oder sechs Laskaren darauf, hinuntersteigen zu können; sie traten zur Seite, um ihn durchzulassen, und sahen ihn mit offenen Mündern fassungslos an. Jetzt erst schaute Bahram an sich hinab und sah, dass er wie Vico dick mit geschmolzenem Opium überzogen war und seine Kleider eine Art zweite Haut bildeten. Sein Kopf dröhnte, und er blieb stehen, um ins Gleichgewicht zu kommen, bevor er über das Lukensüll stieg. Der Geschmack von Opium war für ihn nichts Neues: Während seiner Aufenthalte in Kanton rauchte er hin und wieder eine Pfeife – er war einer der Glücklichen, die gelegentlich Opium rauchen konnten, ohne hinterher ein unwiderstehliches Verlangen danach zu verspüren, und wenn er nicht in Kanton war, vermisste er es nicht. Aber es war ein großer Unterschied, ob man

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