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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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die inneren Bereiche der Faktorei führte. Als er sie durchquerte, schaute er über die Schulter zum Eingang zurück und sah durch das Tor einen Trupp Gardisten im Laufschritt über den Zollhof auf die Creek-Faktorei zusteuern.
    Er wandte sich ab und ging mit schnellen Schritten in die entgegengesetzte Richtung. Wie der Fungtai und einige andere Hongs hatte auch die Creek-Faktorei einen Hinterausgang zur Thirteen Hong Street hin. Wenn Bahram es schaffte, die nächsten Höfe zu durchqueren, ohne von den Soldaten entdeckt zu werden, konnte er entkommen.
    Die Soldaten passierten den Eingang zur Faktorei, Bahram hörte schon ihre Stiefeltritte, und als er in den angrenzenden Hof gelangte, warf er einen raschen Blick zurück: Die Silhouetten eines halben Dutzends Soldaten zeichneten sich gegen das Licht ab; mit ihren spitz zulaufenden Helmbüschen wirkten sie unnatürlich groß, wie Riesen.
    Keine Zeit, keine Zeit … Während Bahram einen Flur entlangeilte, hörte er die Soldaten mit ihren Waffen an Innes’ Tür hämmern. Andere Türen gingen auf, und Menschen traten heraus, um zu sehen, was der Aufruhr zu bedeuten hatte. Bahram verlangsamte seine Schritte und hielt den Kopf gesenkt. In beiden Richtungen rannten Leute an ihm vorbei, teils vor dem Lärm flüchtend, teils darauf zueilend. Das Turbanende zwischen die Zähne geklemmt, hielt er den Blick auf die Pflastersteine gerichtet und achtete nicht darauf, wenn jemand ihn anrempelte. Angestrengt darauf bedacht, niemanden anzusehen, merkte er erst, als sein Schatten vor seinen Füßen erschien, dass er das Gelände der Faktorei verlassen hatte.
    Er stand in der Thirteen Hong Street. Von den Läden links und rechts kannte er viele; wenn er einen von ihnen betrat, würde er sich hinsetzen und zur Ruhe kommen können. Doch als er noch überlegte, nach welcher Seite er sich wenden sollte, leerten sich die Läden, und die Menschen liefen auf die Straße, um zu sehen, was in der Creek-Faktorei im Gange war.
    Ganz in der Nähe führte eine steinerne Brücke über den nullah, von der aus man die Creek-Faktorei im Blick hatte. Dorthin strebten die meisten Leute, und Bahram ließ sich von dem Strom mittragen. Auf der Brücke angelangt, stemmte er sich gegen das Geländer und stellte fest, dass er genau auf den kleinen Balkon schaute, auf dem er wenige Minuten zuvor gestanden hatte. Er war jetzt leer, aber das Dock darunter wimmelte von Menschen, die meisten von ihnen Soldaten. Innes stand mit rotem Gesicht, die brennende Zigarre noch im Mundwinkel, schimpfend und gestikulierend mitten in dem Gedränge und versuchte lautstark, die Situation zu retten. An Courage und Dreistigkeit fehlte es ihm nicht, das musste man ihm lassen, aber es war deutlich zu sehen, dass er keinen leichten Stand hatte. Neben ihm brach ein Soldat eine der Kisten auf – Bahram erkannte eine von seinen –, und als sich der Deckel löste, griff er hinein und hob triumphierend etwas Rundes, Schwarzes heraus, etwa von der Größe einer Kanonenkugel – einen Behälter mit bestem Ghazipur-Opium.
    Bahram glaubte zu ersticken. Er fasste sich an den Hals und zog an der Kordel seines choga, als müsste er sich von einer Schlinge befreien. Mit dem choga löste sich auch seine Schärpe, er spürte, dass die Börse ins Rutschen geriet, und ließ seinen Stock los, um sie aufzufangen. Die wogende Menge um ihn herum drückte ihn an das Geländer. Schon drohte ihm die Börse aus den Fingern zu gleiten, da fühlte er eine stützende Hand an seinem Ellenbogen.
    »Sethji! Sethji!«
    Es war der neue Munshi – wie hieß er noch? Sein Name fiel Bahram nicht ein, aber er war selten so froh gewesen, einen seiner Angestellten zu sehen. Er zog den Munshi zu sich heran und steckte ihm die Börse zu. »Hier, halten Sie das, aber passen Sie auf, dass es niemand sieht.«
    »Ja, Sethji.«
    Bahram straffte die Schultern und begann sich durch die Menge zu schieben.
    »Kommen Sie, Munshi, kommen Sie.«
    »Ja, Sethji.«
    Er befreite sich aus dem Gedränge und steuerte auf den Fungtai Hong zu. Erschöpft, wie er war, konnte er froh sein, dass der Munshi ihm nicht mit Fragen zusetzte. Dass er sich aber mitten in dem Gewühl befunden hatte, würden seine Angestellten erfahren, so viel stand fest. Besser, er ließ sich gleich eine Erklärung einfallen, das würde Gerüchte und Spekulationen im Keim ersticken.
    Er räusperte sich und verlangsamte seinen Schritt. Als Nil ihn eingeholt hatte, fasste er ihn am Ellenbogen.
    »Ich wollte gerade zu

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