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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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Glück verschwunden – Vico hatte gerüchteweise gehört, dass er das Land verlassen hatte – , und was Innes anging, so würden sie sich nun zum ersten Mal seit jenem Tag im selben Raum aufhalten. Bahram holte tief Luft, bevor er eintrat.
    Jetzt ließ sich Charles King vernehmen: »Wenn Sie die Freiheit schätzen, derer Sie sich rühmen, Mr. Innes, dann müssen Sie die Konsequenzen Ihres Handelns tragen. Sehen Sie denn nicht, wohin Ihre Aktivitäten geführt haben? Begreifen Sie nicht, welches Unheil Sie über Punhyqua gebracht haben – und über uns alle?«
    Der Salon des Präsidenten war ein großer, komfortabel eingerichteter Raum, dessen Fenster einen schönen Blick auf den White Swan Lake und den North River boten. Auf dem marmornen Kaminsims standen zwei herrliche Ming-Vasen und dazwischen, einander gegenüber, zwei Lack-Schnupftabakdosen. Die Komiteemitglieder hatten sich am Ende des Raums um den Kamin versammelt; alle saßen, bis auf William Jardine, der mit dem Rücken zum Kaminsims stand. Den Präsidententitel trug zwar Mr. Lindsay, aber Jardines gebieterisches Auftreten verriet, dass er den Vorsitz führen würde. Ein leises Lächeln erschien auf seinem glatten Gesicht, während er sich den Wortwechsel zwischen Innes und King anhörte.
    »Sie können Punhyquas Notlage doch nicht mir in die Schuhe schieben!«, rief Innes. »Die Mandarine sind schuld! Sie können nicht mich für ihre Dummheit verantwortlich machen.«
    Alle lauschten so gebannt, dass nur Dent Bahrams Eintreten bemerkte. Er nickte ihm flüchtig zu und bedeutete ihm, auf dem freien Stuhl zwischen ihm und Mr. Slade Platz zu nehmen.
    Während Bahram sich setzte, ergriff Jardine in seinem üblichen, gleichmäßig ruhigen Tonfall das Wort: »Nun, Charles, Sie müssen zugeben, dass Innes in diesem Punkt recht hat. Die Himmlischen machen ein Riesentamtam um die Sache, wie immer.«
    »Aber Sir«, erwiderte King, »die derzeitige Situation ist ganz allein durch Mr. Innes’ Vorgehen entstanden. Er hat es in der Hand, eine Lösung herbeizuführen – er braucht nur abzureisen. Angesichts des Leids und der Unannehmlichkeiten, die sein Verbleiben hier verursacht, ist es doch nur vernünftig, wenn er Kanton umgehend verlässt.«
    Damit löste er eine heftige Reaktion Mr. Slades aus, der schon eine Weile unruhig auf seinem Stuhl hin und her gerutscht war. »Nein! Es geht hier doch nicht nur um Mr. Innes’ Schicksal. Ein wichtigeres Prinzip steht zur Debatte, und das betrifft die Befugnisse dieser Kammer. Unter keinen Umständen darf der Kammer gestattet werden, einem Freihändler Vorschriften zu machen, das wäre ein nicht hinnehmbarer Eingriff in unsere Unabhängigkeit.«
    Dent hatte dazu heftig genickt, und meldete sich nun ebenfalls zu Wort: »Um es ganz klar zu sagen: Wenn die Kammer sich hier zur Schattenregierung aufzuwerfen versucht, dann werde ich als Erster meinen Rücktritt erklären. Dieses Gremium wurde ins Leben gerufen, um Handel und Gewerbe zu erleichtern. Die Kammer übt keine Gerichtshoheit über uns aus, und dieser Grundsatz muss unter allen Umständen gewahrt bleiben, sonst werden die Himmlischen bei jeder Gelegenheit versuchen, uns mithilfe der Kammer ihren Willen aufzuzwingen. Ganz offensichtlich haben sie uns genau in dieser Absicht um das heutige Treffen gebeten – meiner Meinung nach ein sehr guter Grund für uns, zusammenzustehen und Mr. Innes zu unterstützen.«
    »Innes unterstützen?«, rief Charles King ungläubig. »Ein Verbrechen ist begangen worden, und wir sollen den Täter unterstützen? Im Namen der Freiheit?«
    »Nichtsdestotrotz, Charles«, sagte Jardine ruhig, »Dent hat recht. Die Kammer übt keine Gerichtshoheit über irgendeinen von uns aus.«
    Charles King hob die Hände an seine Schläfen. »Darf ich Sie daran erinnern«, sagte er, »was hier auf dem Spiel steht: Punhyquas Kopf. Punhyqua war uns allen immer ein guter Freund, und seine Kollegen von der Cohong kommen heute hierher, weil sie um sein Leben flehen möchten. Wollen wir sie aus rein legalistischen Gründen abweisen?«
    »Also, bitte!«, entgegnete Slade scharf. »Haben Sie doch die Güte, uns diese bulgarische Melodramatik zu ersparen! Wären Sie nicht noch so grün hinter den Ohren, müsste Ihnen doch klar sein, dass – «
    »Meine Herren, meine Herren!«, unterbrach ihn Jardine. »Bitte mäßigen Sie sich. Wir mögen in dieser Sache ja unsere Differenzen haben, aber dies ist doch wohl weder der Moment noch der Ort, sie auszutragen.«
    Ein

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