Der rauchblaue Fluss (German Edition)
Bediensteter war unterdessen eingetreten und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Jardine nickte und wandte sich dann wieder den anderen zu. »Ich erfahre soeben, dass die Cohong-Kaufleute eingetroffen sind. Bevor sie hereingeführt werden, möchte ich Sie daran erinnern, dass es ungeachtet der persönlichen Meinung jedes der Anwesenden hier Mr. Lindsay ist, der für uns sprechen wird – er und niemand anders. Ich denke, wir haben uns verstanden.«
Jardines Blick schweifte durch den Raum und blieb an Charles King haften.
»Ach, so ist das?«, sagte King, und seine Augen funkelten zornig. »Sie haben sich bereits untereinander abgesprochen?«
»Und wenn es so wäre?«, antwortete Jardine gelassen. »Mr. Lindsay ist Präsident der Kammer; ihm steht es zu, in ihrem Namen zu sprechen.«
Mr. King machte eine angewiderte Geste. »Nun gut. Bringen wir diese Farce hinter uns. Mag Mr. Lindsay sagen, was er will.«
Ein Butler meldete die Ankunft der Cohong-Händler, und alle erhoben sich. Die Delegation bestand aus vier Kaufleuten unter Führung Howquas, des ranghöchsten Mitglieds der Gilde. Alle trugen ihre traditionellen Insignien – Knöpfe, Applikationen und Rangabzeichen in Form von Quasten – an Hüten und Gewändern.
Zu jedem anderen Zeitpunkt wären zwischen ihnen und den Fanquis lebhafte chin-chins ausgetauscht worden, heute aber blieben die Mitglieder der Abordnung, gleichsam aus Achtung vor dem Ernst der Lage, mit strengen, unbewegten Mienen an der Tür stehen, während ihre Diener die Sitzordnung im Salon veränderten und vier Stühle nebeneinanderstellten, den anderen gegenüber. Dann marschierten die Magnaten ein, nahmen steif und förmlich Platz und schoben die Hände in ihre Ärmel. Nur deren gelegentliches Flattern verriet ihre Erregung.
Nun trat ohne die üblichen Vorreden ein Dolmetscher zu Mr. Lindsay und übergab ihm eine Schriftrolle. Nachdem das Siegel erbrochen war, stellte sich heraus, dass ihr Inhalt auf Chinesisch abgefasst war, doch Mr. Fearon, der Übersetzer der Kammer, war zur Stelle und ging damit in einen Vorraum.
Während seiner Abwesenheit – einer guten halben Stunde – wurde kaum gesprochen. Die erlesenen Erfrischungen, die man für die Besucher vorbereitet hatte – Weinschaum, Torten, Pasteten und Sorbets – , wiesen die starr vor sich hin blickenden Hong-Händler mit einer Handbewegung zurück. Nur Charles King versuchte, Konversation zu machen, doch ihre strengen Mienen ließen ihn schnell wieder verstummen.
Alle im Raum hatten bei zahllosen Banketten, Gartenfesten und Bootspartien Trinksprüche und Klatsch mit den Magnaten der Cohong ausgetauscht. Alle im Raum sprachen fließend Pidgin, und alle hatten gelegentlich in dieser Sprache Dinge erwähnt, über die sie nicht einmal mit ihren eigenen Ehefrauen redeten: ihre Geliebten, ihre Horoskope, ihre Verdauung, ihre Finanzen. Jetzt aber sprach niemand ein Wort.
Links saß der magere, asketische Howqua – er war es, der Bahram den geliebten Sekretär zum Geschenk gemacht hatte. Ganz rechts saß Mowqua, der Bahram einst mit der Aufgabe betraut hatte, Perlen für die Hochzeit seiner Tochter zu besorgen. Moheiqua in der Mitte war ein höchst vertrauenswürdiger Mann: Einmal hatte er den Kaufpreis einer ganzen Schiffsladung Tee zurückerstattet, weil sich die Qualität einer einzigen Kiste als unzulänglich erwiesen hatte.
Die Bande des Vertrauens und Wohlwollens zwischen der Cohong und den Fanquis waren umso stärker, als sie über eine scheinbar unüberbrückbare Kluft der Sprache, Loyalität und Zugehörigkeit hinweg geschmiedet worden waren. Jetzt aber war von diesen Banden keine Spur mehr auf den Gesichtern derer, die sich nun gegenübersaßen, zu entdecken, obgleich alle sie in lebhafter Erinnerung hatten.
Als Mr. Fearon zurückkam, knisterte die Luft vor gespannter Erwartung. Er wandte sich Mr. Lindsay zu und sagte: »Es war mir leider nicht möglich, die Mitteilung in Gänze zu übersetzen, Sir, aber ich werde bestrebt sein, das Wesentliche zu vermitteln. Glücklicherweise werden darin Teile früherer Mitteilungen der Cohong an uns wiederholt.«
»Bitte fahren Sie fort, Mr. Fearon, Sie haben unsere ungeteilte Aufmerksamkeit.«
Mr. Fearon begann seine Notizen vorzulesen: »›Wir, die Kaufleute der Cohong, haben Ihnen wieder und wieder Abschriften der Gesetze und Erlasse übersandt, die unseren Handel in Kanton regeln. Sie aber haben ihnen keine Bedeutung beigemessen und sie beiseitegeschoben, ohne ihnen die geringste
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