Der rauchblaue Fluss (German Edition)
kann nur staunen, wie unerschrocken Charlie ins Gefecht zieht. Wenn ich sein Gesicht betrachte, sehe ich die zarten Züge des jungen Géricault, aber ich denke, nichts könnte trügerischer sein: Im Grunde seines Herzens ist er ein höchst grimmiger Krieger. Frage ich ihn, woher er die Kraft nehme, sich als Einzelner seiner ganzen Sippschaft entgegenzustellen, antwortet er mit einem Bibelzitat: »Du sollst nicht folgen der Menge zum Bösen!« Wenn es je eine Ein-Mann-Armee gegeben hat, dann in seiner Person.
… und ich glaube tatsächlich, die Kriegstrommeln werden jetzt jeden Moment erschallen! Von meinem Fenster aus sehe ich die Mitglieder des Komitees der Handelskammer zustreben! Da ist Mr. Wetmore mit Charlie an seiner Seite, dort Mr. Slade, wie immer auf dem Kriegspfad, und in der Vorhut geht Mr. Moddie!
Wer hätte gedacht, dass eine Handelskammer je zum Schauplatz solcher Stürme und Erschütterungen werden könnte? Im Gegensatz zu Charlie bin ich weder ein Sepoy noch ein Bahadur, aber dieses eine Mal würde ich zu gern an seiner Seite reiten, Schulter an Schulter (oder müsste es Sattel an Sattel heißen?). Kannst Du Dir die Szene vorstellen, liebe Paggli, Dein armer Robin, wie er in einen Sitzungssaal stürmt, um sich mit einem Trupp Banyans zu schlagen?
Apropos Drama, mein süßes Paggli-Kätzchen, Du kennst mich ja gut genug, um zu wissen, dass ich das Beste immer bis zum Schluss aufhebe. Das habe ich auch diesmal getan, aber jetzt wird es höchste Zeit, denn Baburao bricht heute Nachmittag zu den Inseln auf und hat versprochen, dass dieser Brief morgen bei Dir ankommt!
Du wirst Dir denken können, dass meine Erinnerung an den Besuch bei Mr. Chan ein wenig vernebelt ist durch den Rauch unserer gemeinsam genossenen Pfeife. Ich weiß aber noch, dass er beim Abschied gesagt hat, er wolle Deine Pflanzen unbedingt sehen und er habe auch selbst eine Kollektion zusammengestellt, die wiederum für Dich von Interesse sei. Leider bleibt nur sehr wenig Zeit, denn Mr. Chan fürchtet, bald wieder verreisen zu müssen, und zudem ist die Lage hier so ungewiss, dass niemand weiß, wie lange der Fluss geöffnet bleibt. Mit einem Wort: Der Tausch muss, wenn überhaupt, sofort stattfinden.
Da es im Moment weder Dir noch Mr. Penrose möglich ist, nach Kanton zu kommen, bleibt Dir, fürchte ich, nichts anderes übrig, als mich mit dem Tausch zu betrauen. Ich würde vorschlagen, Du schickst mir durch Baburao fünf oder sechs Pflanzen, und ich versuche dann, das Bestmögliche für Dich herauszuholen. Ich muss aber dazusagen, dass ich nicht weiß, ob ich Dir Deine Goldkamelien besorgen kann. Ich habe Mr. Chan gefragt, ob er ein Exemplar habe beschaffen können, aber er hat ziemlich ausweichend geantwortet, wenn ich mich recht erinnere.
Jedenfalls, Euer Paggliness, musst Du Dich beeilen!
Bahram betrat den Sitzungssaal als einer der Letzten. Mr. Wetmore hatte bereits an der Stirnseite des Tischs Platz genommen. Er war wie immer untadelig gekleidet, aber sein Gesicht wirkte müde und zerfurcht, und ein seltsames Zucken in seinem Mundwinkel verzog krampfartig seine Lippen.
Bahram ging zu seinem üblichen Platz und war überrascht, den Stuhl neben sich leer zu finden. Er beugte sich zu Mr. Slade hinüber und flüsterte: »Wo ist denn Mr. Dent?«
Mr. Slade zuckte die Schultern. »Wahrscheinlich durch dringende Geschäfte aufgehalten – sieht ihm gar nicht ähnlich, zu spät zu kommen.«
Als alle da waren, wartete Mr. Wetmore noch einen Moment, dann bat er, die Türen zu schließen. »Meine Herren«, begann er, »ich bedaure, dass Mr. Dent noch nicht hier ist, aber leider können wir nicht länger warten. Unsere Zeit ist knapp bemessen, und Sie alle werden endlich wissen wollen, wie unser Besuch im Consoo House verlaufen ist. Ich muss Sie um Nachsicht dafür bitten, dass ich Ihre Geduld diesbezüglich so lange strapaziert habe, aber bestimmte Dokumente mussten, wie Sie sehen werden, erst noch übersetzt werden. Ich werde sie gleich herumreichen, doch lassen Sie mich zunächst kurz berichten. Bei unserer Ankunft im Consoo House wurden wir von mehreren unserer Freunde von der Cohong empfangen, darunter Mowqua, Punhyqua, Mingqua, Puankhequa und andere. Sie befanden sich, wie ich hinzufügen darf, in einem Zustand äußerster Unruhe, um nicht zu sagen Panik. Ich denke, Mr. King wird mich darin bestätigen.«
Charles King saß am anderen Tischende. Bahram sah zu ihm hinüber; auch er wirkte müde und abgespannt. Seine Stimme aber
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