Der rauchblaue Fluss (German Edition)
es dem Hochkommissar zu versichern, dass wir bereit sind, auf seine Bedingungen einzugehen, wenn auch mit gewissen Vorbehalten.«
»Soso«, sagte Mr. Dent mit einem dünnen Lächeln. »Gehen wir also recht in der Annahme, dass Sie und Ihr kleiner Freund Charlie sich anheischig gemacht haben, einen Brief in unserem Namen zu schreiben, ohne sich mit uns darüber zu beraten? Einen Brief mit der Zusicherung, dass ein Handel eingestellt wird, den es schon gegeben hat, als wir alle noch gar nicht geboren waren? Ein Handel, der Ihnen und Ihren Freunden – nicht zuletzt Mr. Jardine – enormen Reichtum gebracht hat?«
Die Erwähnung Jardines schien Mr. Wetmore zu verunsichern, und seine Stimme wurde ein wenig zittrig. »Nun«, sagte er, »in unserem Schreiben wird natürlich ausgeführt, dass die Haltung der chinesischen Regierung zum Opiumhandel in der Vergangenheit von einer gewissen Ambivalenz geprägt war. Eine Zeit lang glaubten viele, er könnte sogar legalisiert werden. Aber etwaige Zweifel von einst werden ja nun durch die Worte und Taten des Kommissars ausgeräumt. Es besteht also kein Grund mehr, hinsichtlich der Zusicherung, die er verlangt, noch länger zu zögern.«
»Ach nein?«, sagte Dent ölig. »Und was ist mit den Schiffen, die bereits vor Hongkong und den anderen Häfen auf Reede liegen? Sollen wir ihre Laderäume treu und brav leeren und den Inhalt an den Kommissar schicken?«
»Keineswegs«, antwortete Mr. Wetmore. »In unserem Schreiben wird dargelegt, dass die Schiffe selbst zwar uns gehören, die Ladung aber nicht. Sie ist de facto Eigentum unserer Investoren in Bombay, Kalkutta und London. Die Ladung auszuliefern ist also unmöglich. Wir werden etwas anderes tun: Wir werden die Schiffe nach Indien zurückschicken.«
Das war die Möglichkeit, die Bahram am meisten fürchtete. »Nach Indien zurückschicken?«, rief er beunruhigt. »Aber Sie wissen doch, Mr. Slade, dass der Opiumpreis in Bombay im Keller ist! Und die Produktion ist wie verrückt gestiegen! Wo sollen wir denn mit unserer Ladung hin? Wer soll sie kaufen? Wenn wir sie nach Indien zurückschicken, sind wir ruiniert.«
Bahram blickte in die Runde, und es schien ihm, als hätten sich bei diesem Wort viele Augen verengt. Wenn er eines über die englische Sprache wusste, dann dies: Nichts war dem Ansehen eines Kaufmanns abträglicher als das Wort »Ruin«. Er beeilte sich, den Schaden wiedergutzumachen. »Ich meine natürlich nicht uns hier. Wir alle sind reichlich mit Kapital ausgestattet und werden schon über die Runden kommen. Aber was ist mit den kleinen Investoren? Müssen wir nicht auch an sie denken? Viele haben die Ersparnisse eines ganzen Lebens eingesetzt. Was wird aus ihnen?«
»Genau!«, rief Slade. »Mir scheint, der gefühlvolle Tenor dessen, was wir hier gehört haben – ich erinnere nur an das Blut der Hong-Kaufleute, das möglicherweise vergossen wird –, hat einige von uns blind für die Folgen gemacht, die wir zu gewärtigen hätten, wenn wir unsere Fracht ausliefern würden. Mr. King und Mr. Wetmore nehmen sich das Leid der Chinesen so sehr zu Herzen, dass sie bereit sind, alle mit ins Verderben zu reißen, die im Opiumhandel tätig sind. Aber würde das nicht Ruin und Verarmung jener bedeuten, die ihre ganzen Ersparnisse in unsere Fracht gesteckt haben? Würden sie nicht ihre gesellschaftliche Stellung verlieren, womöglich im Schuldgefängnis oder im Armenhaus landen und wahrscheinlich Hungers sterben?«
»Sie wollen doch wohl nicht andeuten, Mr. Slade«, warf Mr. King ein, »dass Ihre Investoren Männer von geringen Mitteln seien, die Gefahr laufen, ins Schuldgefängnis gesteckt zu werden? Warum sollte jemand, der am Rande der Armut steht, seine letzten Pennys ausgerechnet in eine Spekulation mit einer Ware wie dem Opium investieren? Meiner Erfahrung nach beteiligt sich niemand an einem solch riskanten Unternehmen, der nicht Kapital übrig hat – und der wird genauso wenig im Armenhaus landen wie Sie und ich. Das ist die grausamste Seite dieses Geschäfts: dass einige wenige Reiche bereit sind, Millionen Menschenleben zu opfern, nur um noch reicher zu werden.«
Slade warf die Hände hoch. »Das war ja zu erwarten: Mr. Kings Herz blutet für seine himmlischen Freunde, aber das Leid seiner Kaufmannskollegen und ihrer Investoren lässt ihn völlig kalt. Und warum ist er bereit, seine Kaufmannskollegen in den sicheren finanziellen Ruin zu treiben? Traun fürwahr! Weil Howqua bei einer privaten Zusammenkunft im
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