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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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jener einschließt, die Sie mit Ihren Opiumlieferungen in Gefahr bringen? Ist Ihnen nicht bewusst, dass Sie mit jeder Ladung Hunderte, vielleicht sogar Tausende von Menschen zum Tode verurteilen? Sehen Sie in Ihrem eigenen Tun nichts Ungeheuerliches?«
    »Nein, Sir«, antwortete Mr. Burnham kühl. »Denn nicht meine Hand richtet jene, die sich dem Opiumgenuss hingeben. Es ist das Wirken einer anderen, unsichtbaren, allgewaltigen Kraft: Es ist die Hand der Freiheit, des Marktes, des Geistes der Freiheit selbst, nichts anderes also als der Atem Gottes.«
    Mr. King hob die Stimme. »Und Sie wollen ein Christ sein?«, fragte er scharf. »Schämen Sie sich! Sehen Sie denn nicht, dass es krassester Götzendienst ist, vom Markt zu sprechen, als wäre er Gottes Rivale?«
    »Bitte, meine Herren, ich bitte Sie!« Mr. Wetmore klopfte auf den Tisch, um die Ordnung wiederherzustellen. »Dies ist nicht der Zeitpunkt für eine theologische Debatte. Darf ich Sie daran erinnern, dass wir zusammengekommen sind, um über das Ultimatum des Hochkommissars zu beraten, und dass hier Menschenleben auf dem Spiel stehen?«
    »Aber das ist doch genau das Problem«, sagte Mr. Burnham. »Wenn Kommissar Lin das ist, wofür wir ihn halten, nämlich ein Ungeheuer oder ein Verrückter, was soll es dann bringen, mit ihm zu verhandeln?«
    Bevor Mr. Wetmore antworten konnte, schaltete sich Mr. Slade ein: »In diesem Punkt erlaube ich mir, anderer Ansicht zu sein, Burnham. Aus meiner Sicht ist der Hochkommissar weder ein Ungeheuer noch ein Verrückter, sondern lediglich ein Mandarin von außergewöhnlicher Schläue. Er will uns mit Drohungen und starken Worten einschüchtern, um sich beim Kaiser seiner Heldentaten rühmen zu können und sich ein höheres Rangabzeichen zu verdienen. Ich für mein Teil glaube an nichts von alldem, weder an die Drohungen des Kommissars noch an die Angstbekundungen unserer Freunde von der Cohong. Für mich steht fest, dass die Cohong mit dem Hochkommissar unter einer Decke steckt; ganz offensichtlich spielen sie uns diese kleine Komödie gemeinsam vor. Die Hong-Händler haben die Maske der Angst aufgesetzt, weil sie uns dazu bringen wollen, uns von unserer Ware zu trennen, ohne dass es sie selbst etwas kostet, mehr ist das Ganze nicht – eine Farce, wie sie uns geboten wird, wann immer wir den Platz überqueren. Es ist der übliche himmlische Schwindel, und wir dürfen nicht darauf hereinfallen.«
    »Und was sollen wir tun, Mr. Slade?« fragte Bahram. »Was schlagen Sie vor?«
    »Ich schlage vor, dass wir standhaft bleiben und zeigen, dass wir uns nicht umstimmen lassen. Wenn Howqua und Mowqua das begreifen, werden sie das Problem binnen kürzester Zeit aus der Welt schaffen. Sie werden ein paar cumshaws verteilen und ein paar Leute bestechen, und damit ist der Fall erledigt. Sie behalten ihren Kopf auf den Schultern, und wir bleiben im Besitz unserer Ware. Signalisieren wir Nachgiebigkeit, verlieren wir alle. Das Allerwichtigste ist jetzt, dass wir unseren Prinzipien treu bleiben.«
    »Prinzipien?«, gab Mr. King erstaunt zurück. »Ich vermag nicht zu erkennen, was für ein Prinzip dem Opiumschmuggel zugrunde liegen sollte.«
    »Nun, dann beliebt es Ihnen, sich den Tatsachen zu verschließen, Sir!« Mr. Burnhams Faust krachte auf den Tisch. »Ist Freiheit nicht ein Prinzip ebenso wie ein Recht? Geht es etwa nicht um ein Prinzip, wenn freie Männer die Freiheit in Anspruch nehmen, ihre Geschäfte ohne Angst vor Tyrannen und Despoten zu tätigen?«
    »Genauso«, entgegnete Mr. King, »könnte jeder Mörder erklären, dass er nur seine natürlichen Rechte ausübt. Wenn die Charta Ihrer Freiheiten unzähligen Menschen Tod und Verzweiflung bringt, dann ist sie nichts weiter als eine Lizenz zum Massenmord.«
    Mr. King und Mr. Burnham waren beide aufgesprungen und starrten sich über den Tisch hinweg an.
    Mr. Wetmore pochte erneut auf die Tischplatte. »Also bitte, meine Herren! Darf ich Sie daran erinnern, dass es sich hier um eine Angelegenheit von höchster Dringlichkeit handelt? Wir haben nicht die Muße, Debatten über abstrakte Prinzipien zu führen. Die Zeit, die uns zur Verfügung steht, ist so knapp bemessen, dass Mr. King und ich uns, um die Dinge zu beschleunigen, erlaubt haben, in unser aller Namen eine Antwort auf das Edikt des Kommissars aufzusetzen.«
    »Ach ja?« Dent lächelte spöttisch. »Nun, Sie waren ja wirklich fleißig, Mr. Wetmore! Und was steht in Ihrem Schreiben?«
    »Im Wesentlichen, Mr. Dent, sucht

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