Der rauchblaue Fluss (German Edition)
stellte ihm zwei Fragen über die kornische Flora – die erste über den Blasensamen, die zweite über das Knorpelkraut, und Fitcher konnte beide richtig bestimmen und beschreiben.
Das genügte dem Kurator. Er erhob sich aus seinem Sessel und begann, auf und ab zu gehen. Dann blieb er plötzlich stehen und sagte, er suche jemanden, der bereit sei, nach China zu fahren – einen Seemann mit einiger Erfahrung in der Kunst des Gartenbaus. »Glauben Sie, Sie könnten dieser Mann sein?«
Fitcher, schwerfällig wie immer, kratzte sich am Kopf und murmelte: »Das hängt von der Bezahlung und dem Zweck der Reise ab, Sir. Ich kann mich nicht festlegen, solange ich nicht ein bisschen mehr weiß.«
»Nun denn, hören Sie zu … «
Es sei allgemein bekannt, sagte Sir Joseph, dass die Gärten in Kew ansehnliche Sammlungen von Pflanzen aus den entlegensten Gegenden der Erde besäßen. Eine Region sei jedoch nur sehr schwach vertreten, nämlich China, ein Land, wie kaum ein zweites gesegnet mit botanischen Reichtümern. Nicht nur wüchsen dort einige der schönsten und heilkräftigsten Pflanzen, sondern auch viele von immensem wirtschaftlichem Wert. Auf eine einzige davon, Camellia sinensis – die Kamelienart, von der Tee gepflückt werde – entfielen ein großer Teil des Welthandels und ein Zehntel der Staatseinnahmen Englands.
Der Wert der Pflanzen Chinas sei auch Großbritanniens Rivalen und Feinden jenseits des Ärmelkanals nicht verborgen geblieben. Die botanischen Gärten und Herbarien Hollands und Frankreichs seien ebenfalls bestrebt, Sammlungen chinesischer Flora zusammenzustellen – und dies schon erheblich länger als Großbritannien – , hätten aber bislang nicht viel Erfolg damit gehabt. Die Gründe dafür seien nicht schwer zu erraten, und der wichtigste davon sei zweifellos die eigentümliche Verstocktheit der chinesischen Menschen. Im Gegensatz zu den Bewohnern anderer botanisch gesegneter Länder wüssten die Himmlischen offenbar diesen natürlichen Reichtum sehr wohl zu schätzen. Ihre Gärtner und Gartenbauexperten gehörten zu den kenntnisreichsten und geschicktesten der Welt, und sie hüteten ihre Schätze außerordentlich sorgsam. Mit dem Flitter und Tand, der auf die Eingeborenen anderer Länder seine Wirkung nie verfehle, richte man bei ihnen nichts aus, und selbst großzügige Geschenke könnten sie nicht dazu bewegen, ihre Geheimnisse preiszugeben. Seit Jahren versuchten Europäer, nutzbare Exemplare der Teepflanze zu erwerben, für Summen, die ausgereicht hätten, sämtliche Kamele Arabiens zu kaufen – doch bislang immer vergeblich.
Eine weitere Schwierigkeit liege darin, dass die Europäer nicht ins Landesinnere reisen dürften und deshalb keine Gelegenheit hätten, umherzuwandern und sich zu nehmen, was immer ihnen zusagte, so wie sie es anderswo gewohnt seien. In China seien sie auf zwei Städte beschränkt, Kanton und Macao, und dort stünden sie unter scharfer Beobachtung seitens der Behörden.
Trotz dieser Hindernisse hätten die Großmächte nicht nachgelassen in ihrem Bemühen, Chinas wertvollste Bäume und sonstige Pflanzen in ihren Besitz zu bringen. Großbritannien sei keineswegs chancenlos in diesem Wettrennen, obwohl einige seiner Rivalen den Vorteil eines früheren Starts auf ihrer Seite hätten. Die Vertretung der Ehrenwerten Ostindien-Kompanie in Kanton sei größer als jede andere, und um von Großbritanniens Präsenz zu profitieren, habe er, Joseph Banks, einigen der eher naturwissenschaftlich denkenden Repräsentanten der Kompanie zugeredet, nach besten Kräften Sammlungen zusammenzustellen. Dies hätten sie inzwischen getan, nicht ohne bescheidene Erfolge, doch seien sie dabei abermals auf ein Problem gestoßen: Es habe sich als verteufelt schwierig erwiesen, die Pflanzen aus China nach England zu befördern. Dabei seien die Launen der Witterung, die Einwirkung des Salzwassers und die häufigen klimatischen Schwankungen nicht die einzigen Gefahren. Eine noch größere Bedrohung liege in der Einstellung der Seeleute, die sich um sie zu kümmern hätten – Matrosen seien nun einmal die schlechtesten Gärtner, die man sich vorstellen könne. Sie betrachteten die Pflanzen offenbar als Bedrohung für ihr eigenes Wohl und Wehe und verweigerten ihnen beim geringsten Anzeichen von Knappheit das lebenswichtige Wasser. Gerieten die Schiffe in Stürme oder Untiefen, würden die Töpfe samt Pflanzen kurzerhand als unnützer Ballast über Bord geworfen.
Nachdem also alle Versuche
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