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Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Der rauchblaue Fluss (German Edition)

Titel: Der rauchblaue Fluss (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amitav Ghosh
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unten holen, und dann veränderte er die Mischung in sorgfältig abgestimmtem Verhältnis.
    Paulette war anfangs geneigt, die Vorstellung, es gebe kalte und warme Böden, als Hirngespinst abzutun, doch es ließ sich nicht leugnen, dass Fitcher wundersame Wiederbelebungen zustande brachte.
    Düngung war ebenfalls ein Thema, dem sich Fitcher in großer Ausführlichkeit gewidmet hatte. Er verachtete keineswegs die herkömmlichen Substanzen, die zur Anreicherung von Böden verwendet wurden – die Laderäume der Redruth enthielten viele Fässer Rapskuchen, Malzstaub und gemahlenen Leinsamen – , aber am meisten interessierten ihn Düngemittel, die unter Segeln geerntet oder erzeugt werden konnten. Beispielsweise Seetang: Er glaubte, dass bestimmte Arten davon sich durch Einweichen, Trocknen und Pulverisieren in einen Stoff umwandeln ließen, der Pflanzen ausnehmend guttat. Immer wenn die Redruth auf ein Seetangfeld stieß, ließ er Netze und Eimer ausbringen, um einige Wedel an Bord zu holen. Er sortierte ungeeignete Arten aus, weichte den Rest in Süßwasser ein und hängte ihn in den Wanten und der übrigen Takelage auf. Den getrockneten Tang zerstieß er in einem Mörser. Prisen des fertigen Pulvers streute er wie ein seltenes Heilmittel aus.
    Auch die Hühnerschar der Redruth war eine wichtige Quelle für Pflanzendünger. Zu Paulettes Pflichten gehörte es, jeden Morgen den Hühnerstall auszumisten. Aus dem Dung, sagte Fitcher, würde ein wirkungsvolles Düngemittel, wenn man ihn mit Wasser vermischte und gären ließ. Auch die Überreste der Vogelkadaver wurden nicht verschwendet. Alle Teile eines geschlachteten Huhns wurden verwertet, einschließlich der Federn und Knochen, die fein zerkleinert in Komposttonnen kamen, die am Heck der Redruth aufgehängt wurden. Verirrte Seevögel seien in dieser Hinsicht noch nützlicher, behauptete Fitcher, weil man hier den ganzen Vogel verwenden könne. Immer wenn sich ein erschöpfter Alk oder eine Möwe auf der Brigg niederließ, rauften sich die Seeleute darum, sie zu erlegen, denn Fitcher zahlte eine kleine Prämie für jeden erbeuteten Vogel.
    Von den Mahlzeiten übrig gebliebene Knochen waren ebenfalls ein geschätztes Kompostmaterial. Sie wurden mit einem Hammer zerkleinert und dann dem Kompost beigegeben. Paulette hatte nicht gewusst, dass man Tierknochen auf diese Weise verwenden konnte, aber Fitcher versicherte ihr, dass das auch in London gang und gäbe sei, wo Metzger gutes Geld damit verdienten, dass sie die Abfallprodukte ihres Metiers an Bauern verkauften – nicht nur Knochen, sondern auch Haare und Hörner. Selbst für Knochenstaub und Knochenspäne gab es einen Markt. Gekocht und fein gemahlen ergaben sie einen an Kalk, Phosphaten und Magnesium reichen Dünger.
    Auch Fischgräten wurden einer solchen Verwendung zugeführt. Vom Heck der Brigg hingen stets zwei bis drei Angelschnüre herab. Wurde ein Fisch gefangen, der groß genug war, um verzehrt zu werden, gab Fitcher ihn nur unter der Bedingung frei, dass er sorgfältig filetiert wurde, damit Kopf, Schwanz und Gräten kompostiert werden konnten. Waren die Fische zu klein zum Essen, steckte er sie so, wie sie waren, in die Blumenerde. In Cornwall, sagte er, würden verdorbene Sardinen als hervorragendes Düngemittel geschätzt und oft einfach untergepflügt.
    Eines Tages hatte sich ein kleiner, rundlicher Delphin in einer der Angelschnüre der Redruth verfangen. Er atmete noch, als er hochgeholt wurde, und Paulette hätte ihn gern freigelassen, doch davon wollte Fitcher nichts wissen – er hatte irgendwo gelesen, dass Lord Somerville auf seinem Hof in Surrey Walspeck mit Erfolg als Dünger eingesetzt hatte. Mit Genugtuung beobachtete er, wie das Tier auf dem Deck der Redruth zappelte und zuckte. Zu Paulettes Bestürzung wurde es umgehend geschlachtet, und der Speck kam zur Verwesung in ein besonderes Fass.
    Die einzigen Substanzen, auf deren Verwendung Fitcher freiwillig verzichtete, waren die, die er – zumindest in Paulettes Gegenwart – als »Ausscheidungen« bezeichnete. Doch das war unvermeidlich, weil es ihm durch die Vorurteile seiner Besatzung diktiert wurde. Er räumte ein, dass er von ihnen, ginge es nach ihm, ohne zu zögern ebenfalls Gebrauch machen würde. Der Wert flüssiger Ausscheidungen sei von Chemikern hinreichend nachgewiesen worden. In menschlichem wie tierischem Urin seien alle wichtigen Elemente gelöst, die Pflanzen für ihre Ernährung benötigten. Und was die andere Art anging, so

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