Der rauchblaue Fluss (German Edition)
eintragen konnte. Außerdem musste Bahram als eines der jüngsten Mitglieder des Bombay-Kontingents fast immer mit dem muffigsten und dunkelsten Raum im ganzen Komplex vorliebnehmen. Lästig war ihm auch, dass so viele andere Parsen in diesem Hong lebten – darunter viele Ältere, die es für ihre Pflicht hielten, ein Auge auf ihn zu haben. Als er erfuhr, dass in einem anderen Gebäude eine schöne Wohnung frei geworden war, ging er unverzüglich, um sie sich anzusehen.
Wie sich herausstellte, handelte es sich um den Fungtai Hong, eine »gemischte« Faktorei. Die Fassade des Fungtai war, verglichen mit seinen Nachbarn, bescheiden. Wie alle Faktoreien war auch diese kein einzelnes Gebäude, sondern bestand aus einer Reihe von Häusern, die durch Tore und überdachte Gänge miteinander verbunden, durch einen Hof jedoch voneinander getrennt waren. Manche der Häuser waren klein, andere dagegen so groß, dass sie in mehrere Wohnungen aufgeteilt werden konnten, jede mit Küche, Lagerraum, daftar, Kontor und Wohnräumen. Eines der Häuser auf der Rückseite zu beziehen war im Allgemeinen weniger erstrebenswert. Durch zahlreiche Korridore und Höfe vom Maidan getrennt, waren sie dunkler und schmuddeliger als die auf der Vorderseite; manche erinnerten an Mietshäuser, und ihre zellenartigen Räume wurden von den ärmsten Ausländern in Fanqui-Town bewohnt – kleinen Händlern und Maklern, Dienern und unbedeutenden Daftardars.
Die begehrtesten Wohnungen in Fanqui-Town waren diejenigen, die auf den Maidan hinausgingen, doch wegen der schmalen Fassaden war ihre Zahl begrenzt. Sie galten als luxuriös und waren entsprechend kostspielig, und dennoch kam es sehr selten vor, dass eine Wohnung mit Aussicht frei wurde. Als Bahram deshalb eine Suite mit Blick auf den Maidan angeboten wurde, hinterlegte er sofort eine Anzahlung. Seither mietete er die Suite bei jedem Aufenthalt in Fanqui-Town erneut und erweiterte sie jedes Mal um einige Räume, um sein wachsendes Personal unterbringen zu können.
Später folgten viele Kaufleute aus Bombay Bahrams Beispiel und bezogen ebenfalls im Fungtai Quartier, und allmählich bürgerte sich für die Faktorei der Name »Achha Hong« ein. Doch das Verdienst, als erster Parse dort eingezogen zu sein, gebührte Bahram, und nach nunmehr über zwei Jahrzehnten belegte er gewissermaßen von Rechts wegen die besten Räume: Seine Niederlassung umfasste ein Lagerhaus, eine Küche, ein Kontor und mehrere kleine Schlafkammern für sein fünfzehnköpfiges Personal. Seine eigene Wohnung befand sich in der obersten Etage und bestand aus einem geräumigen, wenn auch düsteren Schlafzimmer, einem eiskalten Badezimmer und einem Speisezimmer, das nur bei besonderen Anlässen benutzt wurde. Und dann war da natürlich noch der daftar mit seiner schönen Aussicht auf den Maidan und den Fluss – im Lauf der Jahre war das längs unterteilte Fenster dieses Büros zu einer Sehenswürdigkeit der Ausländerenklave geworden, und mancher Alteingesessene hatte es schon einem Neuling gezeigt: »Sieh mal, da oben; da hat Barry Moddie seinen daftar.«
Doch Bahram war natürlich nicht der einzige Handelsherr, der dieses Büro benutzte. In den Jahren, in denen er beschlossen hatte, während der Handelssaison in Bombay zu bleiben, wurde es anderweitig vermietet. Mehrere der früheren Bewohner hatten Spuren hinterlassen, denn manch ein Kaufmann hatte am Ende einer Saison mehr Besitztümer angesammelt, als er bequem nach Hause mitnehmen konnte. Die einfachste Lösung war dann, die Sachen zurückzulassen. Auf diese Weise hatten sich im daftar die unterschiedlichsten Objekte angehäuft: hüfthohe Figuren mit nickenden Köpfen, holzgeschnitzte Pagoden, Lackspiegel, eine silberne Vase, die in Wirklichkeit eine Muskatnussreibe war, und eine Glasschale mit einem unermüdlich im Kreis schwimmenden, glotzäugigen Goldfisch darin. Vieles davon gehörte Bahram, einschließlich eines rätselhaften Steinbrockens, der verstaubt in einer Ecke lag, groß, grau und mit so vielen Löchern übersät, dass er aussah, als sei er von Maden ausgehöhlt worden.
»Wissen Sie, wer mir dieses Ding geschenkt hat?«, fragte Bahram Nil eines Morgens und zeigte auf den Stein. »Das war Chunqua, mein alter Komprador. Eines schönen Tages kam er her und sagte, er habe mir zur Begrüßung ein Geschenk mitgebracht. Ich sagte, soll mir recht sein, warum nicht? Und dann haben sechs Kerle den Stein angeschleppt. Das muss ein Scherz sein, dachte ich: Der Mann hat
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