Der rauchblaue Fluss (German Edition)
den Opiumhandel unterbinden würden. Ein paar Monate lang wird viel Aufhebens davon gemacht, und dann bleibt doch wieder alles beim Alten.«
Zadig schüttelte den Kopf. »Diesmal nicht, Bahram-bhai. Jetzt ist es anders; ich glaube, diesmal meinen es die Chinesen ernst.«
»Warum sagen Sie das, Zadig Bey?«
»Sehen Sie sich doch um, Bahram-bhai. Haben Sie auf dem Weg nach Kanton auch nur einen einzigen Schnellruderer gesehen? Als diese Boote beschlagnahmt und in Brand gesetzt wurden, haben manche gesagt, das sei nur eine Warnung, und in zwei Monaten würden wieder neue Boote auf dem Fluss sein. Aber nein. Manche von den Einzelhändlern haben sich tatsächlich neue Boote gebaut, aber die Mandarine haben auch die anzünden lassen. Und das war erst der Anfang. In den letzten Wochen haben sie Hunderte von Opiumhändlern verhaftet; manche sind hinter Gitter gekommen, einige wurden hingerichtet. Ihre Geschäfte und Opiumhöhlen sind beschlagnahmt worden, und das Opium wurde verbrannt. Es ist fast unmöglich geworden, Opium anzulanden. So weit ist es schon gekommen, dass die Fanquis etwas tun, was sie noch nie zuvor getan haben: Sie haben damit begonnen, das Rauschgift selbst zu transportieren. Sie verstecken es in ihren Kuttern und Pinassen und schicken es mit ihren Laskaren flussaufwärts. Wenn die Schiffe abgefangen werden, können sie es auf die Laskaren schieben.«
»Aber das Risiko ist doch gering, oder?«, fragte Bahram. »Schließlich befassen sich die Chinesen kaum mit Booten, die zu ausländischen Schiffen gehören.«
»Auch das hat sich geändert, Bahram-bhai«, sagte Zadig. »Es stimmt, dass die Chinesen im Umgang mit uns Ausländern immer sehr vorsichtig gewesen sind. Sie sind vor Konfrontation und Gewaltanwendung in einem Maße zurückgescheut, wie es kaum in einem anderen Land vorstellbar ist. Aber im Januar dieses Jahres haben sie das Boot eines Engländers aufgehalten, und als sie an Bord Opium gefunden haben, haben sie die Waren beschlagnahmt und den Mann ausgewiesen. Und Sie wissen natürlich auch, was passiert ist, als Admiral Maitland mit seiner Flotte hier aufgekreuzt ist? Die Chinesen haben weder den Admiral noch Captain Elliott, den britischen Bevollmächtigten, empfangen. Es war der übliche Zirkus mit Protokoll und Kotau und so weiter. Die Flotte zog wieder ab, ohne etwas anderes erreicht zu haben, als die Chinesen zu provozieren und zu verstimmen. Jetzt sind beide Seiten verwirrt und verärgert. Die Chinesen sind entschlossen, dem Opiumhandel Einhalt zu gebieten, aber sie sind sich nicht einig, wie sie vorgehen sollen. Und die Briten sind nicht sicher, wie sie reagieren sollen.«
Zadig bedachte Bahram mit einem Lächeln. »Deshalb möchte ich nicht an Ihrer Stelle sein, Bahram-bhai.«
»Warum genau?«
»Weil das Komitee der Ort ist, an dem diese Kämpfe ausgetragen werden. Und Sie werden mitten im Getümmel sein. Sie können sogar zum Zünglein an der Waage werden. Schließlich kommt das Opium, mit dem hier gehandelt wird, fast ausschließlich aus Hindustan. Ihre Stimme wird großes Gewicht haben.«
Bahram schüttelte den Kopf. »Sie laden mir zu viel auf, Zadig Bey. Ich kann nur für mich selbst sprechen – für niemanden sonst. Schon gar nicht für ganz Hindustan.«
»Aber Sie werden es tun müssen, Bahram-bhai«, sagte Zadig. »Und nicht nur für Hindustan. Sie werden für alle unter uns sprechen müssen, die weder Engländer noch Amerikaner oder Chinesen sind. Sie werden sich fragen müssen: Wie soll es weitergehen? Wie wahren wir im Fall eines Krieges unsere Interessen? Wer wird siegen, die Europäer oder die Chinesen? Die Macht der Europäer sehen wir in Ägypten und in Indien, wo man ihr nichts entgegenzusetzen hatte. Aber wir wissen auch, Sie so gut wie ich, dass China nicht Ägypten und nicht Indien ist: Wenn Sie die chinesischen Regierungsmethoden mit denen unserer Sultane, Schahs und Maharadschas vergleichen, wird klar, dass die chinesischen viel besser sind – Regierung ist ihre Religion. Und wenn es den Chinesen gelingt, die Europäer loszuwerden, was wird dann aus uns und unseren Beziehungen zu ihnen? Auch wir werden uns in ihren Augen verdächtig machen. Wir, die wir hier seit Generationen Handel treiben, werden nie wieder hierherkommen können.«
Bahram lachte. »Zadig Bey, Sie hatten schon immer zu viel von einem Philosophen. Ich glaube, das liegt daran, dass Sie so viel auf Ihre Uhren schauen – Ihr Blick ist zu weit nach vorn gerichtet. Sie können nicht von mir
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