Der Rauchsalon
Landing.
»Und, haben Sie es gemacht?« fragte er.
»Was soll ich gemacht haben?« sagte
Sarah zerstreut, während sie unter der Spüle nach dem Spülmittel suchte.
»Ihrer Tante Marguerite kochendes
Wasser über den Rücken geschüttet.«
»Ach so, das. Nein, ich muß leider
gestehen, daß die nettere Seite meiner Persönlichkeit gesiegt hat. Ich habe
ihnen allerdings Lapsang Suchong statt Martinis gegeben, und ich habe ganz
bewußt vermieden, sie zum Abendessen einzuladen. Ich hoffe, ich war
unfreundlich genug, damit sie wenigstens morgen nicht alle wiederkommen, aber
zweifellos haben sie es bis dahin sicher schon wieder vergessen. Sie haben alle
miteinander auch nicht für einen Pfennig Verstand. Hier, wenn Sie
beabsichtigen, sich weiterhin in der Küche aufzuhalten, können Sie sich auch
genausogut ein Abtrockentuch schnappen. In diesem Bienenkorb gibt es keinen
Platz für Drohnen. Warum sind Sie eigentlich nicht irgendwo draußen und spielen
Detektiv?«
»Heute ist mein freier Nachmittag.«
»Ach herrjeh!« Sarah ließ beinahe eine
Spode-Untertasse fallen. »Ich habe völlig vergessen, daß Mariposa morgen
nachmittag frei hat, weil ihre Nichte in irgendeiner Schulaufführung auftritt
und sie hoch und heilig versprochen hat dabeizusein, und Charles kann unmöglich
in seiner Fabrik noch einen Tag freinehmen, weil er diese Woche schon einmal
gefehlt hat und sie ihm den Lohn kürzen, wenn es nochmal passiert, und er sich
das nicht leisten kann, weil er doch gerade für einen neuen Zahn spart.«
»Wieso das denn? Er hat doch schon
einen Zahn, oder etwa nicht?«
»Schon, sogar eine ganze Menge, aber er
hat sich neulich beim Footballspielen einen abgebrochen und denkt jetzt, daß es
seiner Schauspielkarriere schadet, also will er eine Krone. Mariposa und ich
sagen ihm zwar ständig, es sieht — wie heißt dieses lächerliche Wort doch
gleich — ›macho‹ aus, weil wir beide Todesängste ausstehen, daß er vielleicht
dann engagiert wird. Wenn er eine wirklich gute Rolle bekommt, sind wir
verloren, aber andererseits darf ich ihm auch keine Steine in den Weg legen.«
»Sie wollen also dem Pöbel morgen
allein entgegentreten?«
»Ehrlich gesagt, habe ich bereits
überlegt, ob ich nicht irgendwie Egbert von Onkel Jem ausleihen soll.«
»Warum bitten Sie nicht Mrs. Sorpende
einzuspringen? Sie ist doch immer sehr hilfsbereit, oder?«
»Ja, aber sie hat schon einen Job.«
»Was macht sie denn?«
»Sie ist Wahrsagerin in einer
sogenannten Teestube. Und wenn Sie auch nur einer Menschenseele ein
Sterbenswörtchen davon verraten, werde ich Sie mit meiner ganz persönlichen
Verwünschung beglücken, und falls Sie nicht glauben, daß ich zu so etwas fähig
bin, fragen Sie doch Miss Hartler. Ich habe sie heute wirklich schäbig
behandelt, und wahrscheinlich sollte ich mich auch dafür entschuldigen, aber
sagen Sie selbst! Tausende und Abertausende von Menschen einfach hier in mein
Haus einzuladen, ohne auch nur ein Wörtchen vorher davon mir gegenüber
verlauten zu lassen, und dann außer sich zu geraten, weil ich ihr gesagt habe,
daß wir dann auch ihr Zimmer dafür nehmen.«
»Tatsächlich?«
»Allerdings! Und sie hat die ganze Zeit
von irgendwelchen Sandwiches und Petit fours geredet, als ob — oh nein, nicht
mit mir! Die bekommen billigen Sherry und Cracker aus der Dose, und wenn sie
das nicht mögen, haben sie eben Pech gehabt.«
»Vielleicht kommt ja auch keiner.«
»Das glauben Sie doch wohl selbst
nicht. Die werden in Scharen kommen, weil man dem armen Kerl das Gesicht
zertrümmert hat. Menschen sind richtige Monster! Und ich werde wie verrückt
herumrennen und versuchen, so viele Gläser wie möglich zu spülen, und
aufpassen, daß niemand brennende Zigaretten auf den Möbeln ausdrückt. Sie
können sich gar nicht vorstellen, wie schlimm das alles sein wird. Schätzen Sie
sich glücklich, daß Sie es nicht miterleben.«
»Mrs. Kelling, haben Sie wirklich
geglaubt, ich ließe einen Kumpel, der in der Klemme sitzt, so einfach im Stich?
Oh, Verzeihung, ich vergaß ganz, daß es sich hier um eine Party mit der Crème
der Gesellschaft handelt. Also: Verehrteste, ich werde nicht von Ihrer holden
Seite weichen und mit Ihnen die Festung halten oder wenigstens einen
vertrauenswürdigen Mitarbeiter vorbeischicken, der mit Adleraugen Ihre Möbel
bewacht.«
Bittersohn trocknete die letzte
Untertasse ab und hängte das Handtuch ordentlich über den Handtuchhalter,
genauso, wie es auch Alexander getan hätte.
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