Der Rausch einer Nacht
Silber verwandeln konnte...
Diana hatte seine Hände an ihren Hüften gespürt, wenn er plötzlich hinter ihr auftauchte und sie spielerisch auf die Seite stellte, um freie Bahn zu haben. Sie hatte auch schon seine Wutanfälle erlebt, wenn er einen von Dougs Freunden hinauswarf, den er im Stall beim Rauchen erwischt hatte, und ihm dann eine Strafpredigt verpaßte, die sich gewaschen hatte - von wegen, daß er die Pferde in Feuergefahr gebracht habe.
Das Mädchen hatte gesehen, wie er dabei mithalf, einen ganzen Wurf Kätzchen zur Welt zu bringen und dabei die Mutter streichelte und ihr ermutigend zusprach. Und Cole hatte ein anscheinend Totgeborenes lange genug mit zwei Fingern massiert, um es zum Leben zu erwecken.
Natürlich war auch Diana vor den Fantasien nicht gefeit, mit denen die Mädchen voreinander angaben. Doch für sie gab es da zwei entscheidende Unterschiede: Das Mädchen war klug genug, nicht zu versuchen, ihre Träume in die Realität umzusetzen; und sie hatte von Anfang an akzeptiert, daß die lockere Freundschaft, die sie mit ihm verband, alles war, was sie je von ihm erwarten konnte.
Diana machte sich klar, daß sie nie erfahren würde, wie es sein würde, seine Lippen auf den ihren zu spüren, von ihm in den Arm genommen zu werden oder zu erleben, wie er sie an sich preßte. Das alles bedauerte sie zwar ein wenig, wußte aber gleichzeitig, daß es halt unmöglich war. Davon abgesehen war sie gewitzt genug, eins zu begreifen: Wenn er je auf die Idee käme, sie zu küssen, würde sie wahrscheinlich nicht in der Lage sein, damit fertig zu werden oder ihn abzuwehren.
Cole hielt sich nie lange mit Small talk oder Strategien auf und behandelte Diana wie seinesgleichen. Doch wußte das Mädchen, daß sie dem Bild nicht entsprach. Selbst wenn sie im Vergleich zu ihm nicht so naiv und unwissend gewesen wäre, klafften zwischen ihnen riesige Unterschiede.
Der Pferdepfleger war offen, direkt, bedenkenlos und erdverhaftet. Diana hingegen kannte sich als reserviert, vorsichtig und hoffnungslos ordentlich.
Sie fuhr BMW, trug immer die chicsten Klamotten, dazu passende Accessoires und fuhr am liebsten auf geraden, asphaltierten Straßen.
Er fuhr Motorrad, trug Jeans, lief mit einer alten Duffel-Tasche herum und fuhr im übertragenen wie im wörtlichen Sinne am liebsten querfeldein.
Obwohl Diana vom Verstand her alles klar war, verspürte sie doch ein wenig Sehnsucht, als sie Corey und Spence nebeneinander spazieren sah. Ihre Schwester forderte geradezu das Unglück und eine große Enttäuschung heraus, wenn sie diesem jungen Mann weiter so hinterherlief. Aber sie war wenigstens bereit, ein Risiko einzugehen. Genau das konnte und wollte Diana nicht.
Cole hatte jetzt alle Pferde versorgt und kam zu ihr. »Ich hoffe doch sehr, Ihr häufiges Seufzen hat nichts mit Addison zu tun«, bemerkte er trocken.
Das Mädchen fuhr zusammen, und ihre Gefühle überschlugen sich, weil er ihr unvermittelt so nah gekommen war. Coles Stimme klang so dunkel und verlockend wie die Nacht, und er roch nach Seife und frischem Heu. Der Student ragte hoch über ihr auf - so unbezwingbar und kantig wie die Berge im Texas Hill Country im Westen des Landes.
»Was wollen Sie damit sagen?«
Er trat neben sie und stellte einen Fuß auf die niedrigste Planke des Gatters. Dabei nickte er in Richtung des Pärchens, das langsam auf sie zugeschlendert kam.
»Damit will ich sagen, daß es mir sehr leid täte, wenn etwas zwischen Sie und Corey treten würde. Sie beide stehen sich näher als jedes natürliche Schwesternpaar, das ich je kennengelemt habe. Und selbst ein Blinder könnte mit seinem Krückstock erkennen, daß sie ihn ganz allein für sich haben will.«
»Ist das wirklich so offensichtlich?« fragte Diana zurück, sah im Halbdunkel zu ihm hinauf und gab sich alle Mühe, nicht zu bemerken, daß sein Ärmel ihren Oberarm berührte.
»Das fällt einem nicht sofort auf, aber spätestens nach dreißig Sekunden«, entgegnete er leicht spöttisch. »Wenn Spence hier ist, muß man Corey nur ansehen, um zu wissen, was in ihr vorgeht.«
Über dieses Thema wollte Diana eigentlich nicht reden, aber etwas anderes wollte ihr nicht einfallen, wenn er so nah bei ihr stand. So starrte sie lieber weiter auf das Pärchen. »Spencer ist ein hervorragender Reiter.«
Der Pferdepfleger zuckte die Achseln. »Ja, er ist nicht schlecht.«
Diana kannte den jungen Mann seit ihrer Kindheit und war nicht gewillt, diese Herabsetzung seiner Fähigkeiten
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