Der Rebell - Schattengrenzen #2
Sprünge machen und seine Tochter mal eben mit dem Flieger in den Süden schicken konnte.
Vielleicht hat Silke einfach gejobbt und gespart?
Da war sie wieder, diese dämliche Stimme, die seine Konzepte zertrümmerte. Ärgerlich knirschte er mit den Zähnen. Allerdings entbehrte der Zweifel keiner Logik. Er fügte den Punkt hinzu.
Insofern konnte Ägypten gut hinhauen, zumindest in Hinsicht auf ihre Spezialisierung im Studium. Nordafrika war später ihre zweite Heimat.
»Ich sehe, du denkst darüber nach.«
Oliver nickte. »Gibt es dazu Anhaltspunkte?«
»Ein Foto, das dein Vater in seiner Brieftasche mit sich trug.«
Daniel suchte eine Weile fieberhaft, bevor er einen grottenschlechten Scan auf seinem Laptop aufrief.
Oliver schluckte. Er kannte die überblendete Aufnahme der vier Freunde, die in der prallen Sonne auf einer kleinen Segeljacht lümmelten.
Das zerknickte Foto trug viele Gebrauchsspuren, Risse, zerknautschte Kanten und einen Falz in der Mitte. Anscheinend war es immer geknickt gewesen. Er kannte es in besserem Zustand.
Die Aufnahme zeigte Amman, seine Eltern und Kerstin. Aboutreikas Hand lag auf der Hüfte seiner Mutter und um den Nacken seines Vaters. Kerstin stand dabei, lächelte in die Kamera, berührte aber niemand.
Das Bild stammte also aus der Anfangszeit, in der es eine festgelegte Konstellation gegeben hatte.
Aboutreika stand im Zentrum, glücklich lächelnd und vereinnahmend. Seine Eltern strahlten richtiggehend in seiner Gegenwart.
Als sein Vater ihm das Foto das erste Mal gezeigt hatte, hatte er den Eindruck gewonnen, dass sie einfach nur verliebt gewesen waren. Aber jetzt, im Rückblick, schienen sie vor allem durch Ammans Aufmerksamkeit ausgesprochen glücklich gewesen zu sein. Er hatte ihnen Aufmerksamkeit geschenkt und sie vereinnahmt. Die zurückhaltende, dunkelhaarige Kerstin war daneben vollkommen verblasst.
Sie hatten sie ausgeschlossen.
Ablehnung? Zweifel? Abneigung? Eifersucht? Welche Gefühle hatten sie beherrscht? Wen betrafen ihre Emotionen?
Sie hatte Amman erobert, aber um welchen Preis?
Auch heute stand sie nur im Schatten ihres Mannes, der seinem Freund und dessen Großfamilie mehr Aufmerksamkeit zollte als ihr und Jamal.
Großer Gott, wie weit musste Oliver noch in die Gefühle und Gedanken anderer Personen eintauchen, um die Tragweite all dessen zu erfassen?
»Denken Sie, hinter dem damaligen Aufeinandertreffen steckte bereits eine Planung?«
»Gesetzt den Fall, dass diese These zutrifft, ja.«
Oliver stöhnte und vergrub das Gesicht in den Händen.
»Wie viele Grenzen müssen wir noch überschreiten, bis wir den Kern der Sache erreichen?«
»Sehr viele, Olli. Du hältst zumindest tapfer mit.«
Fragend blickte er zu Daniel.
Tiefer Ernst lag in den Zügen seines Freundes. »Du denkst wie ein Erwachsener. Du hangelst dich von einer gedanklichen und emotionalen Ebene zur nächsten.«
Seine Lippen zuckten, als wolle er etwas hinzufügen.
Stumm wartete Oliver. Daniel schwieg, musterte ihn nur. Die Sorge in seiner Mimik verstärkte sich.
Oliver krallte seine Finger in das Polster.
» Aboutreika hat mir zugesagt, dass er meine Brüder und mich im äußersten Fall nicht hängen lässt, das heißt, er nimmt uns auf, wenn Walter nicht mehr freikommt, und sich auch sonst kein Verwandter anbietet.«
Daniels Blick trübte sich. Er sank ein wenig in sich zusammen. Plötzlich lag ein erstickendes Stahlband um Olivers Hals. Atmen und sprechen wurde zur Qual. »Ihr kommt nicht so dicht an ihn heran wie ich.« Wie hell und gläsern er sich anhörte, fremd. »Ich suche für euch und informiere euch über alles. Eine bessere Gelegenheit bekommt ihr nicht. Damit stehen euch Tür und Tor in seine Welt offen.«
Daniel lag neben ihm, lang ausgestreckt, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Düster starrte er zur Decke. Seit George sie allein gelassen hatte, schwieg er. Micha hingegen bestürmte Oliver mit Fragen, auf die er keine Antworten hatte. Sie waren mit ihren Recherchen immer noch am Anfang. Alles, was sie sich zusammenstrickten, konnte ohne Beweise so einfach zusammenbrechen wie ein Kartenhaus, wenn man nur an der richtigen Stelle rüttelte.
Michaels Magen knurrte. Er hatte Hunger. Die angebrannten Pfannkuchen waren das Letzte, was sie gegessen hatten. Wahrscheinlich ging es Chris in seinem Zimmer nicht anders. Er hatte sich die ganze Zeit nicht geregt.
Oliver stemmte sich hoch. »Ich schaue mal nach unserem eingebildeten Kranken und mache anschließend
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