Der Rebell - Schattengrenzen #2
Haus«, fügte Micha hinzu.
»Das Umdenken kam bei ihm erst Tage, nachdem er das Haus verlassen hatte. Der Einfluss verschwand und ließ einen ganz anderen Walter zurück.« Oliver zog das alte Bild aus der Tasche. »Schaut euch das an.«
Die Aufnahme machte die Runde.
»Das ist doch nur Opa als Kind.«
Oliver nickte, nachdem er die Aufnahme wieder in seine Beintasche geschoben hatte. »Aber er war ein ganz normaler, fröhlicher Lausebengel wie du, verstehst du?« Oliver vergrub sein Gesicht in Chris’ Haar. »Ich glaube, das Haus hat ihn verändert, aber auch so lang gesund und vital gehalten. Vorhin sah er furchtbar krank und verhärmt aus.« Er schwieg einen Moment lang. Christian umklammerte ihn. Nach einer Weile fügte Oliver hinzu: »Er hat gestern sein Testament gemacht, Jungs. Er wusste, dass er nur noch wenig Zeit hatte.«
»Und was steht da drin?« Chris’ Atem streifte seinen Hals.
Ja, was? Das Urteil über ihrer aller Leben. Genau genommen bedeutete es, dass Walter ihnen einen Keller voller Schätze gab, um als Gegenleistung diesen Hort und seine Dämonen auf ewig zu verwalten. Ihnen? Nein, eigentlich nur ihm. Schlimmer noch, er hatte Walters Wunsch unbedacht angenommen und vor einer Phalanx untoter Zeugen ausgesprochen, die ihn bis in alle Ewigkeit daran erinnern würden. Selbstloses Testament? Niemals.
»Erkläre ich euch später, wenn ich mir ein paar Gedanken darüber gemacht habe.«
Daniel lag allein im Zimmer. Der Raum war ruhig, denn er zeigte zu Park und Versorgungsgebäuden hin. Viel Komfort bot er nicht. Tisch, zwei Stühle und einen kleinen Flachbild-Fernseher, der an der Wand in einem Schwenkarm hing.
Oliver stellte die Tasche ab und hob die Häsin heraus, bevor er die wenigen Sachen ausräumte und verstaute. Opas Krallen kratzten über den glattpolierten Linoleumboden.
Die Gardine bewegte sich sacht im Wind, der durch das gekippte Fenster hereinwehte.
Hier war es kühl.
Daniel schlief. Eine Hand lag locker auf der Decke, die andere über seiner Brust. Sein Kopf war zur Seite gerollt.
Oliver war froh darüber, dass niemand ihn begleitete. Diese Ruhe sollte nicht gestört werden.
Oliver neigte sich über ihn. Trotz der Sonnenbräune wirkte Daniel elend. Der Anblick tat weh. Was immer ihn dort oben oder in den Katakomben attackiert hatte, es hatte Schaden angerichtet.
Behutsam küsste er die kühlen Lippen. Daniel regte sich kaum. Lediglich sein ruhiger Atem streifte Olivers Haut. Er setzte sich an die Seite seines Freundes, vorsichtig, um ihn nicht zu wecken.
Ein tiefes, warmes Gefühl zog seine Brust zusammen.
»Ich liebe dich so sehr.«
Erneut küsste er ihn, strich über seine Wange.
Daniels Lider flatterten leicht.
Langsam, behutsam richtete sich Oliver auf.
»Ich mache alles wieder gut, Daniel, das verspreche ich dir.«
Matthias wartete bereits. Die Belastung ging auch an ihm nicht spurlos vorüber. Blass saß er im Salon, zwischen all den Stapeln Papiere und Bildern. Er hatte sich nicht rasiert. Seine spröden Lippen zitterten leicht. Unter seinen Augen bildeten sich tiefe Schatten. Er sah alt aus. Alles an ihm wirkte angespannt und zugleich vollkommen fertig.
Langsam klappte er seinen Rechner zu, als Oliver sich zu ihm setzte.
Wortlos lehnte sich Matthias an ihn. Die Aufforderung war unmissverständlich. Oliver nahm ihn in den Arm und drückte ihn an sich.
Für Matthias schien die Zeit zum Reden noch nicht gekommen, denn er klammerte sich nur still fest.
Was hatte zwischen ihm und Walter eine solche Bindung bewirkt? Oder schockierte ihn die Wandlung des alten Mannes? Wahrscheinlich saß das unbestimmbare Gefühl, dieses unruhige Rumoren bei Matthias nicht weniger tief. Sie mussten sich beide über ihre Gefühle und Aufgaben klar werden. Michael und Christian warfen nur einen kurzen Blick in den Salon, bevor Camilla sie weiterlotste. Vielleicht war das auch besser so. Die beiden Kleinen verstanden vermutlich nicht, in welcher Situation sich Matthias befand. Die Gratwanderung, die er einschlug, konnten sie nicht nachvollziehen.
Nach einer ganzen Weile regte Matthias sich. Olivers Rücken stach von der verkrampften Haltung. Trotzdem wollte er seinen Cousin nicht loslassen, bis dieser von sich aus die Nähe unterbrach.
Matthias räusperte sich. »Olli, ich kann nicht mehr.«
Olli? Normal vermied er diese vertrauliche Form. Wie schlecht musste es ihm wirklich gehen? Sacht strich er über Matthias’ Schläfe.
»Ich will den Dienst quittieren. Es geht
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