Der Rebell - Schattengrenzen #2
füllte den überwiegenden Teil der Bank aus. Möglich, dass es an Weißhaupt lag. Inwieweit die beiden Kommissare miteinander arbeiteten und auskamen, konnte er kaum einschätzen. Zumindest teilten sie nicht immer die gleiche Meinung, wie er aus der Vergangenheit wusste.
»Die Jungen können nicht mehr länger hierbleiben, Gregor.«
Mit einer Hand fuhr er sich über die Augen. Er wirkte übermüdet. »Christian kommt in eine Klinik, Michael ist gnadenlos unterernährt und Oliver, den will Markgraf separieren.« Er schnaubte. »Was bezweckt er damit?«
»Kann ich dir nicht sagen, Bernd.« Die Stimme Roths klang gefasst. »Ich habe ihn nun schon mehrfach vernehmen lassen. Seine Aussagen bleiben schwammig.« Er blieb stehen und hob die Schultern. »Eigentlich glaube ich eher, dass das etwas für Irene Meinhard ist. Damit kenne ich mich nicht genug aus.«
Ihr habt auch nichts gegen ihn in der Hand, was ihn überzeugen könnte, sich in die Karten schauen zu lassen.
Oliver presste die Lippen aufeinander. Walter war die Sorte Mensch, die keinen Moment in Erwägung zogen, andere an ihren Gedankengängen teilhaben zu lassen.
Michael schob sich von hinten unter seinem Arm hindurch, klammerte sich aber an dem T-Shirt fest.
Sanft zog er ihn an sich, streichelte seine Wange und seine Schulter. Erneut spürte er die Knochen.
Was bezweckte Walter damit – den Jungen nicht genug zu essen zu geben? Sie waren gerade im Wachstum …
Rache und Angst.
Oliver fuhr zusammen. Unmöglich.
Trotzdem fraß sich der abscheuliche Gedanke in seinem Kopf fest. Rache – in Form von seelischer Qual, Hunger und Lügen.
War das sein Ziel? Rache für seine Tochter?
Oliver zog Michael enger an sich.
Wovor sollte Walter sich fürchten? Mit neunzig hatte man nicht mehr so viele Feinde. Scheinbar lief alles andere ja gut, die Mieteinnahmen aus dem alten Haus, der Laden, nichts schien Walter Probleme zu bereiten.
Gefahr bestand auch von Vaters Seite nicht.
Du Trottel. Es gibt ganz andere Gefahren, denen er lieber alles andere opfert, als sich selbst.
Jeder hatte das Recht zu leben – nicht nur ausgewählte Personen. Diese verfluchte Stimme war auch der Vorhof zur Hölle oder zum Irrenhaus. Nannte sich das nicht multiple Persönlichkeit?
Ja, zum Gehirnklempner solltest du mal, aber nicht deshalb. Vielleicht wirst du dann vernünftiger.
Wütend presste er seinen Bruder an sich.
»Micha, Olli, alles okay?«
Daniels Stimme brach erneut das erstickende ungerichtete Zorngefühl.
Die beiden älteren Kommissare wandten sich ihnen ebenfalls zu.
»Alles okay.« Oliver löste sich sacht von Michael. »Wie geht es Chris?«
Roth straffte sich. »Nicht so gut. Er wird bald ins Krankenhaus gebracht.«
Oliver sah über die Schulter zum Kinderzimmer.
Mit einem ärgerlichen Blick erhob sich Weißhaupt. »Er ist in guten Händen. Zur Sicherheit fährt Matthias später mit.«
Auch wenn Oliver keine Erlaubnis erwartet hatte, mitkommen zu dürfen, trafen die Worte.
»Das heißt, wir dürfen nicht?«, fragte Micha, wobei er die Brauen zusammenzog.
Daniel nickte traurig. »Erst mal nicht. Chris wird ohnehin erst mal von diversen Ärzten der Klinik und unseren Polizeiärzten untersucht. Matthias unterrichtet uns in jedem Fall.«
Michael klammerte sich wieder fest. Auffordernd musterte er Oliver. Das war der passende Anstoß.
»Chris ist elf. Wie fühlt er sich wohl – besonders nach einem Mordversuch? Versucht euch mal in ihn hineinzufühlen .« Ärgerlich schüttelte er den Kopf. »Ich wäre froh, wenn meine Familie bei mir wäre.«
Weißhaupt warf Roth einen typischen Hab-ich-es-nicht-gesagt-Blick zu.
Der Hauptkommissar seufzte und verdrehte die Augen.
»Das muss ich abklären. Er kommt jetzt erst mal in die Klinik. Herr Kuhn oder Herr Weißhaupt können euch beide dann fahren.«
Oliver stöhnte.
Konnte Roth nicht verstehen, dass Chris nach diesem Erlebnis in erster Linie Michael um sich haben wollte? Die Zwillinge waren grundverschieden, aber einander näher als jeder andere in der Familie.
Weißhaupt kam mit langen Schritten auf sie zu. Der alte Dielenboden unter dem ausgetretenen PVC knarrte. »Lasst mich mal durch, Jungs.«
Oliver wich ihm mit Micha im Arm aus. Der Oberkommissar schob sich an ihnen vorbei ins Kinderzimmer. »Doktor, können Christians Brüder mitkommen – oder sollen wir sie später hinterherfahren?«
»Mitkommen nicht, alles andere muss mit der Horst-Schmidt-Klinik geklärt werden, Herr Kommissar.«
»Ist
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