Der Rebell - Schattengrenzen #2
dass wir die persönlichen Untiefen unserer Eltern kennen. Das ist wie bei uns. Wir sagen ihnen ja auch nicht alles, oder?«
Die Wahrheit in ihren Worten lag offen. Warum wollte er seine Familie immer noch auf einen Sockel stellen? Schließlich hatte er Tom auf eine Art kennengelernt, die ihn bis in alle Ewigkeit verfolgen würde. Seine Lippen zuckten. Er nickte. »Du hast schon recht. Sie verbergen viel vor uns. Ich glaube, kein Kind kennt seine Eltern, wie sie wirklich sind.«
Er fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Das Pochen in seinen Schläfen nahm ständig zu. Sein Magen schien sich wieder entleeren zu wollen.
»Alles okay mit dir?« Sie schob seine Hand zur Seite. Ihre warmen Finger lagen angenehm beruhigend auf seiner Stirn.
»Nein, eigentlich nicht. Ich fühle mich gerade massiv scheiße.«
Sie seufzte. »Armer Kerl. Haben dir Daniel oder Matthias nichts davon erzählt?«
Offenbar verstand sie ihn falsch. Leider traf aber auch das zu. Er sank in sich zusammen. »Nicht wirklich. Warum reden alle mit dir darüber? Sind das nicht Polizeiinterna?«
»Für Matthias’ und Bernds Frust sind Christoph und ich unterdessen als Seelenmülleimer engagiert worden. Die beiden sind ja aus ihrer alten Abteilung geflogen, weil sie in diesem Scheiß-Fall in Berlin bedingungslos zu mir gehalten haben.« Sie lachte humorlos auf.
»Irgendwann musst du mir mehr dazu erzählen.«
In ihren Augen blitzte es auf. »Mach ich.« Über ihre Lippen huschte ein entspannteres Lächeln. »Was Daniel betrifft, so ist er ein langjähriger guter Kumpel, der beste, den ich noch habe.« Sie sank auf ihre Fersen und ließ die Hände in den Schoß fallen. »Nachdem ich aus Berlin zurückkam, war Daniel der einzige Freund, der noch was mit mir zu tun haben wollte. Alle anderen fanden, dass ich viel zu wenig unter Theresas Tod leiden würde.« Sie hob die Schultern.
Oliver hatte das Gefühl, sie suche seinen Blick. Instinktiv zog er sie an sich. Das Mädchen mit dem schmalen Gesicht seiner Mutter war wirklich offen und lieb, ein bisschen wie Daniel. Sie kuschelte sich vertrauensvoll an seine Schulter. »Im letzten Spätsommer schlug Danni mir vor, mit meinem Freund Christoph nach Wiesbaden zu ziehen.« Sie lächelte versonnen. »Nun wohnen Christoph und ich Daniel gegenüber. Wir drei verbringen viel Zeit miteinander, wenn es sich mit Arbeit und Studium vereinbaren lässt.«
Treu wie ein Hund, das traf auf Daniel zu. Aber warum machte er das, war es wirklich nur Freundschaft zu Camilla?
»Durch die Sache mit Matthias und seiner seltsamen Mail haben wir angefangen, uns über dich und deine Familie zu unterhalten.«
Mit beiden Armen umschlang sie Olivers Taille. Hatte sie nicht einen Freund? Was würde der jetzt denken? Gut, er war schwul, aber das stand nicht auf seiner Stirn. Sie nahm davon keine Notiz.
»Ihr vertraut einander ziemlich, oder?«
Ihr Blick wurde ernst.
»O ja, vollkommen blind.« Sie unterbrach sich. »Kennst du den Hintergrund dazu?«
»Daniel hatte davon erzählt, dass ihr euch seit eurer Kindheit kennt.«
Sie nickte. »Theresa hat mich mit ihm bekannt gemacht.«
»Theresa hängt dir noch immer stark nach, oder?«
Oliver wollte die Frage eigentlich nicht stellen, aber sie rutschte ihm einfach heraus.
» Hmmmm .« Camilla schloss die Augen und legte den Kopf in den Nacken. Nach einigen Sekunden streckte sie sich. »Ja, aber das lässt sich so schwer erklären … Theresa lebt ja eigentlich noch, irgendwie, wenn auch nicht mehr körperlich …«
»Als Geist?«
Camilla hob irritiert den Kopf. »Was? Nein, sicher nicht. Ihre Seele steckt in einem …« Sie zögerte. Aus zusammengekniffenen Augen musterte sie ihn.
»Das Übersinnliche, wie?«
Erst jetzt schien sie zu begreifen, dass er es sah.
»Logisch, wie Theresa.« Camilla presste die Lippen aufeinander.
»Was wurde aus ihr?« Oliver stupste sie an.
»Das erkläre ich dir irgendwann in Ruhe, Olli.« Sie lächelte gequält. »Nur so viel: Wir hatten mit einem Mann zu tun, der sein Umfeld manipulieren und beeinflussen konnte.«
Fröstelnd rieb er sich die Arme. »Du meinst, er hat die Menschen tun lassen, was er wollte?«
»Richtig. Er manipulierte nicht nur jeden, sondern änderte die Realität, zog die finstersten Seiten aus einem Menschen und nutzte sie. Er erschuf lebende Monster.«
»War er derjenige, der hinter diesem Mörder stand?«
»Wieder richtig. Er gestaltete ihn so, wie er ihn brauchte.« Sie neigte sich zu ihm. »Das bei
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