Der Rebell - Schattengrenzen #2
einen Laden hat euer Großvater?«
»Eine Buchhandlung«, entgegnete Oliver.
»Wie gut ist er technisiert? Vielleicht macht er ja alles über Telefon und Fax?«
Matthias schüttelte den Kopf. »Der alte Mann hat da unten einen schicken neuen Laptop stehen. Passt so gar nicht in die Rumpelkammer, die er Laden nennt.«
»Er hat was?« Das war ja das Allerneuste. Der Pentium 166 war damals schon eine weltbewegende Neuerung in der Buchhandlung Markgraf. Aber einen Laptop? Unmöglich. Walter war neunzig, gleichgültig wie fit und geistig rege der Alte war, ihm die grundlegendsten Handgriffe wie Mails abrufen und die Handhabung des Buchhandelsregisters begreiflich zu machen, hatte ihn damals schon mehrere Tage gekostet.
»Ja, einen unheimlich schicken Asus .« Daniel nickte zustimmend. »Der kam erst Anfang des Jahres auf den Markt und hat ziemlich viel Leistung.«
Fassungslos starrte Oliver die beiden Beamten an. »Wir reden hier von Walter Markgraf. Unser Großvater ist neunzig und wird bald einundneunzig – 1922 geboren – ihr versteht? Der kennt sich nicht mal mit einem Handy aus.«
Daniel wiegte mit hochgezogenen Brauen den Kopf. Er schwieg.
»Walter interessiert sich für Bücher und seinen Laden. Alles andere ist ihm egal.«
»Dann hat er einen Angestellten, der das vielleicht …«
Als Daniel den Kopf schüttelte, verstummte Camilla. Sie wirkte verzagt. »Woher kommt sonst der Schleppi ?«
Oliver gab Chris und Micha einen leichten Schubs. »Wisst ihr was, was ich nicht weiß?«
Chris nagte an seinem Finger.
»Onkel Amman war ein paar Mal da und hat Opa was für uns mitgebracht. Er hat uns den Rechner zum Geburtstag geschenkt.«
»Wie, der gehört euch?«
Fassungslos starrte er seine Brüder an.
Michael schien in seinem Pulli zu schrumpfen. »Ja.«
»Opa hat ihn einkassiert, genau wie die Konsole. Die liegt auf dem Speicher in ner Kiste.«
»Michas Smartphone hat er kassiert.« Chris verschränkte die Arme vor der Brust. »Das war voll gemein.«
Oliver schüttelte verständnislos den Kopf. Das, was die Jungs sagten, kam nicht richtig an.
Amman wieder. Warum hofierte er die Jungs, zwang sich aber nie zu einem Besuch in der Klinik oder Reha? War er ebenfalls wütend auf ihn?
In seinem Magen ballte sich bereits wieder ein furchtbares Gefühl zusammen, was das Essen hochzudrücken begann.
Nahm er ihm auch übel, dass seine Mutter und Elli tot waren, er aber noch lebte? Oliver stöhnte auf.
»Alles okay?«
Er fuhr zusammen. Daniel stand hinter ihm und strich behutsam unter seinem Zopf über das Nackenhaar. Die Berührung tat – wie immer, wenn sie von Daniel kam – gut. Er entspannte sich unter dem sanften, vertrauten Streicheln.
»Schon okay.« Er wollte seine Gedanken hier nicht in Worte fassen. Das konnte er, wenn er mit Daniel allein war. Dann hatten sie ohnehin einiges zu besprechen.
Mit einem Blick streifte er Chris und Micha. »Eigentlich hätte ich mir denken können, wer mal eben einen Tausender auf den Tisch blättert, nur um ein nettes Geburtstagsgeschenk zu machen. Das macht niemand außer Amman.«
»Das klärt zumindest dieses Rätsel des modernen Laptops.« Matthias tauschte einen Blick mit Daniel, während er sich im Stuhl zurücksinken ließ. Er rieb sich den Nacken. »Morgen, wenn du ausgeschlafen bist, möchte ich mich mal mit dir über Aboutreika unterhalten.«
Oliver nickte benommen.
»Erzähl bitte weiter, Micha«, sagte Camilla.
»Ich bin nach einer Weile wieder eingeschlafen, aber nicht sehr tief.« Er zögerte. »Bewegungen und Keuchen haben mich geweckt.« Er wies auf Chris. »Über dir kniete wieder dieser dunkelhaarige Mann, der mit seinen riesigen Händen deine Brust zusammenpresste. Sein Gesicht war so verzerrt …«
In Christians Augen flackerte etwas. Fast schien es, als verwische ein Schleier auf seiner hellen Iris.
Es schien, als erwache er. Seine Lippen zuckten. Plötzlich begann er, zu zittern. Mit beiden Armen umklammerte er Olivers Brust. Im gleichen Moment schrie er auf. Sofort ließ er los, als habe er sich verbrannt. Tränen rannen über sein Gesicht. Diese Reaktion … Erschrocken starrte er Chris an. Auch Michael schien nicht zu wagen, nach ihm zu greifen.
Was war geschehen?
In Agonie heulte Chris auf. Er bewegte sich nur noch abgehackt und verdrehte dabei immer wieder die Augen.
Kamen erst jetzt die Schmerzen? Das war unmöglich. Was hatten ihm die Ärzte nur gegeben? »Mein Kleiner …«
Vorsichtig berührte er Chris Wangen und
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