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Der reiche Mann

Der reiche Mann

Titel: Der reiche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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zu wissen.
    Sie ging hinauf, um Jeanne zu helfen, das Schlafzimmer und das Badezimmer zu machen, und als sie damit fertig war, war es Zeit zum Kirchgang. Jeanne hatte ihr am Tage zuvor sogar einen komischen kleinen weißen Hut gekauft, den sie verlegen aufsetzte, wie jemand, der noch nie einen Hut besessen hat.
    Durch das Fenster sah er sie fortgehen. Dann kam Jeanne schwarz gekleidet herunter. Auch sie war anders als sonst. Sie wirkte wie eine brave Bürgerin, die über die Höhe des Lebens hinaus ist, Fett angesetzt hat und sich leicht schminkt, tun ihre Falten zu verbergen. Ein diskreter Lavendelduft umwehte sie.
    »Was machen wir? Ich habe nichts zum Mittagessen vorbereitet.« Das war fast eine Tradition. Am Sonntag machten sie wie viele andere eine Autofahrt.
    Manchmal fuhren sie in die Vendée, aßen in Luçon, in Fontenay-le-Comte oder sogar in Sables-d’Olonne zu Mittag. Oft fuhren sie aber auch nach Süden. Sie fuhren gemächlich und fast ohne ein Wort zu sagen, betrachteten flüchtig die vorüberfliegende vertraute Landschaft.
    »Wie wär’s, wenn wir eine Chaudrée äßen?«
    Die Spezialität von Fouras, das nur ein paar Kilometer von La Rochelle entfernt liegt, eine Art Bouillabaisse, die aus kleinen Seezungen, Tintenfischen und Aalen besteht.
    »Wir werden uns unterwegs entscheiden.«
    Er holte den Wagen, und sie setzte sich neben ihn. Mit ihren regelmäßigen, aber harten Zügen wirkte sie fast vornehm. Sie hielt sich sehr gerade, gab sich sehr würdig, als säße sie hinten in einer von einem Chauffeur gesteuerten Limousine.
    Sie fuhren über La Rochelle, kamen durch die Straßen mit den Arkaden, die sie gut kannten, freuten sich am Fahren, freuten sich daran, dunkelgekleidete Leute in die Kirche gehen oder in der Konditorei, die als einzige offen war, darauf warten zu sehen, daß sie an die Reihe kämen.
    Alle Schiffe lagen im Hafen, und Fischer, die auch nicht wußten, was sie tun sollten, standen in kleinen Gruppen zusammen.
    Sie überquerten die Eisenbahnbrücke und fuhren dann weiter auf der Straße nach Fouras. Da es, als sie dort ankamen, noch viel zu früh zum Mittagessen war, setzten sie ihre Fahrt in Richtung Rôchefort fort.
    Die Stadt war noch ausgestorbener als La Rochelle.
    »Trinken wir etwas?«
    »Wenn du willst.«
    Sie hielten auf dem großen Platz und gingen in ein Café an der Straßenecke, in das sie schon oft eingekehrt waren.
    Er wußte, was seine Frau trinken würde. Es kam bei ihr nur einmal in der Woche vor. »Einen Portwein und einen Schoppen Weißwein«, bestellte er.
    Auch hier saßen Kartenspieler. Man fand sie überall: Manche, die scherzten, sich gegenseitig auf den Arm nahmen, und andere, für die das eine sehr ernste Angelegenheit war.
    Zwei Ehepaare, Leute wie sie, das eine mit einem Jungen von fünf oder sechs Jahren, der mit einem Strohhalm, den er verlangt hatte, wie Doudou eine Grenadinelimonade schlürfte.
    Das Wetter war immer noch schön, der Himmel fast makellos blau. Nur ganz in der Ferne sah man einen leichten, fast leuchtenden Nebel.
    »Ich glaube, sie wird es schaffen. Sie ist voll guten Willens. Man spürt, daß sie bisher schlecht behandelt worden ist.«
    »Sie hat doch erst eine Stellung gehabt?«
    »Ja. Als sie nach Surgères gegangen ist, kam sie aus der Fürsorge.«
    »Hat sie keine Eltern mehr?«
    »Anscheinend nicht. Eines schönen Morgens sind ihre Eltern auf und davon und haben sie in einer Kiste zurückgelassen, die ihre Wiege war. Das ist in einem jämmerlichen Nest in der Nähe von Paris passiert.«
    Es wäre ihm lieb gewesen, wenn seine Frau ihm noch mehr von Alice erzählt hätte, aber sie schwieg jetzt, und er sah wieder das schmutzige Puttelchen vor sich, das ihn am ersten Tag so beeindruckt hatte.
    Leon, der Wirt, kam an ihren Tisch, um ihnen die Hand zu drücken. Er war ein kleiner, rundlicher, selbstsicherer Mann, der lange in Paris Taxichauffeur gewesen und dann hierher zurückgekehrt war, um das Café seiner Träume zu kaufen.
    »Wie geht’s gesundheitlich?«
    »Immer noch gut.«
    »Mir auch, bis auf die Beine, die anzuschwellen beginnen. Das scheint daher zu kommen, daß ich den lieben langen Tag stehe. Ich lasse Ihnen noch einmal das gleiche bringen, natürlich auf meine Rechnung.«
    »Für mich bitte nicht«, versuchte Jeanne zu protestieren.
    »Aber, aber! Ein kleiner Portwein hat noch niemandem geschadet.«
    Bald darauf fuhren sie weiter und kamen nach Fouras, wo sie immer in dasselbe Restaurant gingen. Die Stadt war noch

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