Der reiche Mann
Esnandes.«
Er ging in den Schuppen, um den Traktor zu besichtigen. Er war stark, schön und grellrot angestrichen.
»Er hat gut gewählt, nicht wahr?«
»Er hat den teuersten gewählt.«
»Aber auch den besten. Ich kann es kaum abwarten, ihn zu fahren. Ich komme mir vor wie ein Junge, dem man gerade ein neues Fahrrad gekauft hat.«
»Du wirst bald Gelegenheit dazu haben.«
Sie pflügte nicht nur, sondern sie kümmerte sich auch um die Ernte. Es war nicht mehr wie in ihrer Jugend, als man drei oder vier Knechte brauchte und bei der Ernte alle Bauern des Dorfes den Dreschern halfen.
Manchmal sehnte er sich nach der Zeit zurück, da er den Hof noch selbst bewirtschaftet hatte. Er verübelte es seinem Bruder, daß er sich so wenig dafür interessierte.
»Hast du zu Mittag gegessen?« fragte er seine Schwägerin.
»Ja, ganz allein, denn er ist seit heute morgen fort. Gott weiß, in welchem Zustand er wiederkommen wird!«
Sie war ihm nicht böse. So war das Leben nun einmal.
»Wie geht’s Jeanne?«
»Sehr gut.«
»Und das neue Mädchen?«
»Sie scheint sich einzugewöhnen. Sie spricht zwar nicht viel, aber vielleicht ist das nur Schüchternheit.«
»Man kann sagen, sie hat Glück, daß sie zu dir gekommen ist.«
Sie sagte das ohne Ironie.
»Trinkst du etwas?«
»Danke. Ich habe gerade ein Glas bei Mimile getrunken.«
Als er nach Hause kam, war Alice in der Küche. Sie hatte den kleinkarierten Kittel an und schälte Kartoffeln. Jeanne sah er nicht. Sie war gewiß im Salon und sah fern.
»Hatten Sie einen schönen Sonntag?«
»O ja.«
Zum erstenmal ließ sie sich anmerken, daß sie zufrieden war.
»Was haben Sie nach der Messe gemacht?«
»Ich bin wieder hergekommen, um mir etwas zu essen zu machen.«
»War es nicht ein merkwürdiges Gefühl, ganz allein im Haus zu sein?«
»Nein. Danach habe ich ein Stündchen geschlafen, und dann bin ich am Meer spazierengegangen. Ich kannte das Meer bisher kaum. Es war niemand dort. Ich hatte die Küste ganz für mich allein.«
Warum war er erregt? Warum wagte er nicht, sich länger in der Küche aufzuhalten?
»Was gibt’s zum Abendessen?«
»Gemüsetopf.«
»Können Sie den zubereiten?«
»Ja.«
Er ging zu Jeanne in den Salon und setzte sich neben sie. Es wurde ein amerikanischer Film gesendet, dessen erste Hälfte er nicht gesehen hatte und aus dem er deshalb nicht klug wurde.
Eine Woche später war alles noch wie vorher. Es war die Zeit des niedrigsten Wasserstandes, und es ließ sich darum an den Muschelbänken kaum etwas tun. Fünf Tage lang konnten keine Muschelkörbe nach La Rochelle gebracht werden.
Trotzdem blieb Lecoin nicht untätig. In dem riesigen Gemüsegarten gab es Arbeit genug, und Doudou strich die Schiebetüren der Garagen hellgrün an.
Unablässig mußte Lecoin an Alice denken. Er war davon völlig überrascht, denn das war ihm noch nie im Leben passiert. Er hatte viele Frauen aller Sorten gehabt, die seine eingeschlossen, aber keine hatte ihn so völlig aus dem Gleichgewicht gebracht.
Er hatte nie das Wort Liebe ausgesprochen, und er glaubte übrigens auch nicht an Liebe.
Schon am Morgen drängte es ihn, unter irgendeinem Vorwand in die Küche zu gehen, denn er suchte jetzt nach Vorwänden für alles, was er tat.
Nicht so sehr Jeanne gegenüber, die so tat, als ob sie gar nichts merke, sondern Alice gegenüber.
Obwohl sie jetzt täglich ihren kleinkarierten Kittel trug, mußte er an das schwarze Kleid denken und an ihre Affäre mit Paquôt.
Die Szene hatte sich ihm so eingeprägt, daß er sie sich immer wieder ausmalte, und dann wagte er niemandem ins Gesicht zu sehen.
Ahnte das Mädchen das? Er vermochte es nicht zu sagen. Sie tat gewissenhaft, aber stumm ihre Arbeit und sprach nur, wenn sie eine Frage beantworten mußte, und auch dann nur kurz.
»Haben Sie gut geschlafen?«
»Ja.«
»Ist Ihr Zimmer nicht zu kalt?«
»Ich habe noch nie in einem geheizten Zimmer geschlafen.«
Wenn sie im Laufe des Vormittags im Schlafzimmer die Betten machte, erfand er wie ein Junge einen Vorwand, um hinaufzugehen. Das demütigte ihn. Er sagte nichts zu ihr oder aber: »Ich habe mein Taschentuch vergessen.«
Sie ging um das Bett herum, um die Laken glattzuziehen, und wenn sie sich dabei vorbeugte, sah man ihre mageren Beine.
Spürte sie, was in ihm vorging? Wenn ja, dann war sie weder stolz noch erfreut, noch verärgert. Um die Wahrheit zu sagen, ihr Gesicht drückte nichts aus.
Er war überzeugt, seine Frau wußte Bescheid,
Weitere Kostenlose Bücher