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Der reiche Mann

Der reiche Mann

Titel: Der reiche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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zurückkehren, während die kleinen, die weniger Tiefgang hatten, weiter fischten.
    Er hatte seinen Schlüssel nicht vergessen und ging ins Haus, um seine Stiefel aus- und Schuhe anzuziehen. Dann kehrte er wieder in die Garage zurück und fuhr den zweiten Lastwagen hinaus. Gestern hatte er ein Geräusch gehört, das ihm nicht gefiel. Darum öffnete er die Motorhaube, um zu sehen, was dem Motor fehlte.
    Zunächst zog er den Transmissionsriemen straffer. Als das Geräusch nicht aufhörte, nahm er den Vergaser heraus und versuchte, ihn zu regulieren. Er bastelte gern. Im Grunde machte er alles gern außer Kartenspielen oder in einem Café sitzen. Er wählte fast immer eine Bar, in der er an der Theke stehen bleiben konnte.
    Als der Vergaser wieder eingebaut war, versuchte Lecoin, ein Stück mit dem Lastwagen weiterzufahren. Er kam bis Marans, einer Kleinstadt am Ufer des nicht mehr benutzten Kanals, die er sehr gern mochte.
    Er hielt in der Nähe der Brücke und ging in die Eckkneipe, wo man ihn gut kannte, um einen Schoppen zu trinken. Der Wirt in Hemdsärmeln war älter und dicker als Mimik und hatte weißes Haar, das die Röte seines Gesichts noch unterstrich.
    Er trank immer mit den Gästen, so daß ihm um fünf Uhr nachmittags das Sprechen schon schwerfiel.
    Auch hier saßen Kartenspieler, Honoratioren, die spielten, ohne einen Laut von sich zu geben.
    »Stimmt’s, daß Sie das Mädchen, das bei Paquôt war, engagiert haben?«
    Er schätzte eine solche Frage nicht und nickte nur.
    »Haben Sie keine Angst?«
    Er zuckte die Schulten und antwortete nicht. Die Neuigkeit hatte sich also schon in der ganzen Gegend verbreitet. Nicht er hatte Alice ausgesucht, sondern seine Frau. Hatte er es nötig, es ihnen zu sagen und hinzuzufügen, daß er nicht die Absicht habe, sie anzurühren?
    »Paquôt kann von Glück sagen. Er hätte zu einer Gefängnisstrafe verurteilt werden können. Wenn der Staatsanwalt nicht der gute Mensch wäre, der er ist.«
    Auf der Straße spielten Kinder und lärmten wie auf dem Schulhof. Es war ein milder, heller Frühlingstag. Eine junge Frau kam vorüber, die gewiß irgendwo eingeladen war, denn sie hatte sich sehr fein ausstaffiert und trug weiße Baumwollhandschuhe.
    Er leerte sein Glas und kehrte zu seinem Lastwagen zurück.
    »Los, Alter!«
    Er wußte nicht, ob er damit den Wagen oder sich selbst meinte. An manchen Tagen war er nicht in Schwung, und wenn er zuviel nachdachte, sah er schwarz.
    Was fehlte ihm? Er hatte mit nichts angefangen, mit weniger als nichts. Mit dreizehn Jahren arbeitete er auf einem Bauernhof, wo er sich um die Pferde kümmern mußte. Damals gab es erst wenige Traktoren, ja, in der Gegend waren sie sozusagen unbekannt.
    Außer ihm waren dort noch zwei Knechte. Sie schliefen alle drei auf dem Dachboden, wo jeder sein Eisenbett hatte. Es war fast so wie später in der Kaserne.
    Die beiden anderen waren rauhe Gesellen, und die Geschichten, die sie sich erzählten, ohne auf seine Anwesenheit Rücksicht zu nehmen, ließen ihn noch heute erröten.
    Dort hatte er zum erstenmal gesehen, wie man es mit einem Mädchen trieb. Der eine der beiden Knechte vergnügte sich nämlich mit einem Mädchen vom Hof, das man gerade gedingt hatte und das in der Mansarde nebenan schlief.
    »Hast du jetzt begriffen, wie man das macht, du Grünschnabel?«
    Dieser Mann lebte noch. Er war ihm eines Tages begegnet, als er durch Lhoumaux kam, wo der andere von einer Straßenseite auf die andere torkelte.
    Lecoin hatte viel gearbeitet, mehr als irgend jemand, den er kannte. Er hatte auch viel durchgemacht.
    Als er Pächter des Hofs ›Quatre Vents‹ war, machte er alle Arbeit allein mit seiner Frau, weil er sich einen Knecht nicht leisten konnte. Manchmal pflügte Jeanne sogar mit ihm.
    Es war merkwürdig, daß sie sich nicht nähergekommen waren. Sie waren sich freilich auch nicht feindlich gesinnt. Sie lebten nebeneinander, ohne sich zu zanken, ohne sich jemals Vorwürfe zu machen. Die Arbeit war das einzige, was sie verband.
    Abends setzten sie sich meistens in den Salon vor den Fernsehapparat, und sie konnten dort zwei Stunden hocken und ein Programm betrachten, ohne auch nur ein Wort zu sagen.
    Unterwegs hielt er auf ›Quatre Vents‹.
    Sein Vater war gerade dabei, den Stall zu säubern, während Véronique in der Küche arbeitete.
    »Ist Daniel noch nicht zurück?«
    »Man könnte meinen, du kennst ihn nicht. Wenn er auf einen Markt geht…«
    »Ich weiß. Hoffentlich hat er den richtigen

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