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Der reiche Mann

Der reiche Mann

Titel: Der reiche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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das macht ihr nichts aus?«
    »Nein.«
    »Ist sie häßlich?«
    »Nein.«
    »Seid ihr schon lange verheiratet?«
    »Mehr als zwanzig Jahre.«
    »Wann hast du angefangen, sie zu betrügen?«
    »Ich betrüge sie nicht.«
    Er war mit den Nerven völlig fertig. Nach zwei Stunden hatte er die beiden Frauen satt und zog seine Brieftasche aus der Jacke. Er war großzügiger als sonst, als ob er sich dafür entschuldigen wolle, daß er so unfreundlich gewesen war.
    »Ihr könnt euch wieder anziehen, Kinder.«
    Er setzte sich in einen Plüschsessel am Fenster und drehte sich eine Zigarette. Draußen war es schon dunkel, und man sah die vom Regen verzerrten Lichter der Laternen.
    »Gehst du nicht hinunter?«
    »Nicht gleich.«
    »Sehen wir uns wieder?«
    »Bestimmt.«
    Er hatte kein licht gemacht. Das Zimmer wurde von den Laternen draußen erleuchtet. Bedächtig und mit düsterer Miene rauchte er seine Zigarette und stand schließlich auf, um sich zu vergewissern, daß nichts mehr in den Flaschen war. Sie waren leer, auch die dritte, die Nenette herauf gebracht hatte. Er ging die Wendeltreppe hinunter und fiel fast hin, denn er war nicht mehr ganz fest auf den Beinen.
    »Einen Cognac«, sagte er.
    Als er sich umdrehte, sah er das Mädchen, das an der Bar gesessen hatte, mit einem jungen Mann in dem kleinen Salon sitzen. Fernande dagegen war verschwunden.
    »Nun, was hatte ich gesagt, mein Schatz? Das war was, wie?«
    Er zuckte die Schultern.
    »Sag mal, du scheinst mir recht schwierig zu werden.«
    »Ich hab’s satt.«
    »Was?«
    »Alles.«
    »Das paßt ja gar nicht zu meinem Victor. Sonst bist du doch immer mehr in Schwung. Ärger?«
    »Nein.«
    »Hat doch wohl nichts mit deiner Frau zu tun?«
    »Nein.«
    »Du bist groß, du bist stark, du bist reich, was willst du mehr?«
    Er konnte ihr nicht erklären, daß alles, was ihm fehlte, ein schlechtgewaschenes Mädchen war, das sich von einem Schwein wie Paquôt hatte liebkosen lassen und das nicht reagiert hatte, als er ihr sein Glied in die Hand gab.
    Er gelobte sich, dergleichen nie zu tun. Er schwor sich, sie nie anzurühren, aber er war sich wohl bewußt, daß es mit diesem Entschluß nicht weit her war.
    »Noch einen Cognac.«
    »Wirklich?«
    »Bin ich blau?«
    »Noch nicht, aber es fehlt nicht mehr viel daran. Ich sage das im übrigen nur, weil du fahren mußt.«
    »Gib mir trotzdem noch einen. Ich bin schon seit so vielen Jahren daran gewöhnt.«
    »Wie ich dich kenne und wie ich dich sehe, wirst du bald wiederkommen.«
    Es stimmte, aber er liebte es nicht, daß man ihm das sagte. Es ärgerte ihn, wenn er merkte, daß andere versuchten, seine Gedanken zu erraten, die Gründe seines Handelns zu erkennen.
    »Was schulde ich dir?«
    Sie hatte es auf dem Blatt eines Notizblocks ausgerechnet.
    »Wiedersehn!« brummte er zur Tür gehend.
    »Bist du auch nicht böse?«
    Er schien zu zögern, ehe er seufzte: »Ich bin dir nicht böse.«
    Es gab Augenblicke, da er Alice grollte. Er wußte nicht einmal, wie seine Frau sie engagiert hatte. Er würde auch nicht wagen, sie danach zu fragen, denn damit verriete er zuviel Interesse an dem Mädchen.
    Er hatte Hunger. Er ging in ein kleines Café hinter dem Uhrturm, aß zwei Brötchen mit Schinken und trank dazu ein Glas Bier. Auch hier saßen Kartenspieler, und das ging ihm nachgerade auf die Nerven. Sie saßen zufrieden da, betrachteten ihre Karten, sagten ihr Solo mit triumphierender Miene an, knallten ihre Karte auf den Tisch, als wäre das von größter Wichtigkeit.
    Sie waren gewiß mit sich in Frieden. Und solche gab es überall. Sie fühlten sich nie unsicher wie er in diesem Augenblick. Hatten sie überhaupt ein Familienleben? Ihre Familie war der Ecktisch immer in demselben Lokal und mit denselben Partnern.
    Er zahlte und ging angewidert hinaus. Einen Augenblick zögerte er, da er sich nicht sofort erinnerte, wo er seinen Wagen gelassen hatte. Er war in dem Peugeot gekommen, und aus Gewohnheit suchte er den Lastwagen.
    Statt ihn nüchtern zu machen, verschlimmerte die frische Luft noch seine Trunkenheit, und er hätte den Motor fast abgewürgt, als er Gas gab. Zum Glück war er schnell aus der Stadt heraus und begegnete auf der Straße nur zwei Autos.
    Er fuhr den Peugeot in die Garage und schlug den Kragen seiner Jacke hoch, denn es regnete stark. Dann ging er in das warme Haus, schüttelte sich die Regentropfen ab und betrat das Eßzimmer. Der Tisch war noch für ihn gedeckt, Jeanne hatte schon gegessen.
    Alice erschien im

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