Der reiche Mann
sein volles Glas zu.
»Ich habe gesehen, daß du deinem Bruder einen neuen Traktor gekauft hast.«
»Er arbeitet schließlich für mich.«
»Der war aber sicher sehr teuer.«
»Was sein muß, muß sein.«
Es regnete nicht mehr, aber es war grau, und man sah die dunkle Linie der Insel Re jenseits der Bucht.
»Es ist besser, daß während der kleinen Flut schlechtes Wetter kommt.«
Er sah die beiden Frauen vor sich, die in der milden Wärme der Küche bügelten. Ob Alice Jeanne gegenüber gesprächiger war? Hatte sie zu ihr mehr Vertrauen als zu einem Mann?
Er wollte sie an sich gewöhnen. Es war verkehrt von ihm gewesen, gestern betrunken nach Hause zu kommen. Sie hatte es bestimmt gemerkt, und er hatte sich dadurch nicht mit Ruhm bedeckt.
Aber was machte das schon? Er war schließlich ein freier Mensch. Niemand hatte sich jemals herausgenommen, ihm zu sagen, er solle dies tun oder jenes lassen.
Sie war nur eine kleine, schlecht gewaschene Rotznase.
Er schämte sich, als hätte er gerade etwas Blasphemisches gedacht, goß sich wieder zu trinken ein und leerte sein Glas in einem Zug.
»Was schulde ich dir?«
Er brauchte die Antwort gar nicht abzuwarten. Es war jeden Tag der gleiche Preis.
»Komm, Doudou«, murmelte er, als ob der Taubstumme es hören könnte.
Jedenfalls folgte er ihm.
Er machte sich wieder für etwa eine Stunde an die Arbeit hinten im Garten und wusch sich dann Hände und Gesicht an der Pumpe, ehe er sich zum Mittagessen an den Tisch setzte.
4
Er hatte zu trinken begonnen, als ob ihn das am Denken hindern könnte, und je mehr er trank, desto weniger kam er innerlich von Alice los, die für ihn immer wichtiger wurde.
Wenn man ihm noch vor zehn Tagen gesagt hätte, daß ihm das passieren würde, hätte er die Schultern gezuckt. Anderen vielleicht. Aber nicht ihm. Keine Frau hatte bisher einen so großen Eindruck auf ihn gemacht, nicht einmal seine eigene.
Gerade Jeannes Verhalten verwirrte ihn. Sie zeigte sich nicht besorgt. Sie war ruhig und kalt wie immer und etwas steif. Dennoch beobachtete sie ihn, wie man einen Kranken beobachtet, um zu sehen, wie weit das Leiden schon fortgeschritten ist.
Wenn sie ihn in der Küche überraschte, wo er nichts zu suchen hatte, schien sie seine Anwesenheit ganz natürlich zu finden, und er war es dann, der verlegen wurde.
Er konnte ihr nicht mehr in die Augen sehen. Er fürchtete, daß man in seinem Gesicht seine Verwirrung lesen konnte, und selbst bei Mimile war er mürrisch, fast bissig.
Und Alice? Merkte sie, was in ihm vorging? Sie kam und ging, als merke sie gar nichts, und ihr Gesicht blieb ausdruckslos.
Fand sie es nicht lächerlich, daß ein Mann seines Alters sich so in ein Mädchen wie sie vergaffte? Oder schmeichelte ihr das im Gegenteil insgeheim?
Er wußte es nicht. Er wollte es auch gar nicht wissen. Es tat ihm weh zu denken. Er spürte dunkel, daß das nicht lange mehr so weitergehen konnte, daß er eines Tages zur Tat schreiten würde, und er schämte sich im voraus und hatte Angst davor.
Am Donnerstagabend hörte er in seinem Bett Jeannes regelmäßigen Atem. Wenn sie nicht dagewesen wäre…
Er hatte bei Mimile und zu Hause getrunken. Seine Gedanken waren etwas verschwommen. Wenn Jeanne nicht dagewesen wäre… Wenn Jeanne nicht mehr da wäre… Wenn Jeanne etwas zustieße… Sie hatte einen hohen Blutdrude und schon zweimal einen Herzanfall gehabt. Der Arzt hatte ihr Vorsicht empfohlen.
Und wenn er allein zurückbliebe, würde er dann Alice heiraten? Die Leute würden sich über ihn mokieren. Ein Mann von fünfundvierzig, der ein Mädchen von sechzehn heiratet. Nun, sollten sie! Ihm war das gleich. Ja, er würde sie heiraten, was dann auch kommen mochte.
Jeanne ahnte nichts von diesen Gedanken, die er in seinem Kopf wälzte, und am nächsten Morgen sah er zwischen seinen halbgeschlossenen Lidern, wie sie aufstand. Da fiel ihm wieder alles ein, was ihn gestern gequält hatte.
Er war ungerecht gegen sie. Eine andere hätte ihm bestimmt Szenen gemacht. Obwohl sie alles durchschaute, sagte sie nichts, blieb dieselbe, hatte nie auch nur eine Anwandlung von Ungeduld oder schlechter Stimmung.
Es war fast, als ob er den Keim einer Krankheit in sich trüge und sie nur darauf wartete, daß er sie brauchte, damit sie ihn pflege.
Es war wieder ein unfreundlicher grauer Tag. Er ging ans Meer, das hohe Wellen schlug. Die Wolken hingen tief, mit Wasser gefüllte Wolken, die sehr schnell am Himmel dahinzogen.
Bei
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