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Der reiche Mann

Der reiche Mann

Titel: Der reiche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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schließlich.
    »Ich.«
    »Einen Augenblick.«
    Auf bloßen Füßen und in einem langen Nachthemd öffnete sie ihm und trat zur Seite, um ihn eintreten zu lassen.
    Ohne ein Wort zu sagen, schlang er die Arme um ihre Taille und preßte sie an sich. Vielleicht versteifte sie sich ein paar Sekunden lang, aber als er ihren Mund suchte, wandte sie den Kopf nicht ab, blieb jedoch passiv.
    »Sie können das nicht verstehen, Alice.
    Seit zwei Wochen bin ich nicht mehr ich. Ich weiß nicht, wie ich lebe. Es ist das erstemal in meinem Leben, daß mir das widerfährt.«
    »Mich friert«, flüsterte sie, ging zum Bett und schlüpfte unter die Decken.
    »Haben Sie Angst?«
    »Nein.«
    Hatte er sie das nicht schon gefragt? Er wußte es nicht mehr. Er hatte diesem Augenblick entgegengefiebert, und jetzt, da er gekommen war, verlor er die Fassung und wußte nicht mehr, was er tun sollte.
    »Ich bin kein Scheusal, Alice!«
    Sie musterte ihn neugierig, als hätte sie noch nie einen Mann in dieser Verfassung gesehen. Er ging langsam auf das Bett zu und legte dann seine Hand auf ihr dunkles Haar.
    Die Hand glitt bis zur Schulter hinunter, dann über das Nachthemd und die kleinen, noch kindlichen Brüste.
    Sie wehrte sich nicht, stieß die Hand nicht zurück. Sie glitt immer weiter hinunter, erreichte schließlich ihr Geschlechtsteil, und Alice zuckte zusammen.
    Dann hob er behutsam das Hemd, und schon berührte sein Finger die schwarzen Haare, die auf ihrer Scham ein kleines Dreieck bildeten.
    Er hatte zu oft davon geträumt, hatte sich zu oft diesen Augenblick ausgemalt. Er schlüpfte ebenfalls unter die Decken, und als sie Wange an Wange lagen und sie sein Glied auf ihrer Scham fühlte, flüsterte sie: »Sie werden mir doch nicht weh tun?«
    Er entdeckte, daß sie noch Jungfrau war, und ihm wurde ganz heiß. Er wußte nicht, ob aus Freude oder, im Gegenteil, aus Ärger.
    Jeanne hatte ihn gewarnt, aber es war zu spät. Sie saß noch im Zug nach Cholet, während er ganz allmählich, Alice an sich pressend, um ihr die Angst zu nehmen, in sie eindrang.
    »In wenigen Augenblicken werden Sie nichts mehr fühlen.«
    »Das brennt.«
    »Das ist gleich vorüber.«
    Er mußte sein Glied fast sofort herausziehen, denn er war nahe daran, sich zu ergießen.
    »Hat es weh getan?«
    »Nicht sehr.«
    »Das nächste Mal werden Sie nur noch Lust empfinden.«
    Sie antwortete nicht. Er streichelte langsam ihren ganzen Körper, und dann ergriff er ihre Hand.
    War es Resignation? Er hätte gern offen mit ihr gesprochen. Er hätte sich vor allem gewünscht, daß sie mit ihm sprach, aber ihr Gesicht blieb ausdruckslos ebenso wie ihre Augen, die ihn ganz aus der Nähe anstarrten.
    »Ich liebe Sie sehr, Alice. Sie können das nicht verstehen, Sie sind noch zu jung.«
    Ihre Gleichgültigkeit bedrückte ihn.
    »Empfinden Sie so etwas wie Freundschaft für mich?«
    Sie blieb eine Weile stumm, ehe sie flüsterte: »Ich weiß nicht.«
    »Haben Sie keine Angst mehr vor mir?«
    »Nein.«
    »Ich lasse Sie jetzt schlafen. Gute Nacht, Alice.«
    Er küßte sie, aber sie preßte ihre Lippen aufeinander.
    »Gute Nacht«, sagte er noch einmal und stieg aus dem Bett.
    Er zog seinen Morgenrock wieder an, schlüpfte in seine Pantoffeln und ging zur Tür.
    »Bis morgen.«
    Er hätte am liebsten geweint, ohne recht zu wissen, warum. Er strömte über vor Zärtlichkeit. Seine Liebe zu Alice war nicht nur rein sexuell. Er hatte gerade den Beweis dafür erhalten. Er hätte gern…
    Was? Sie noch stärker an sich gedrückt, als er es getan hatte, als wolle er sie ersticken. Mit ihr verschmelzen, in ihr versinken, spüren, daß sie ihm gehörte, ihm allein, und daß sie glücklich und voller Vertrauen war.
    Er ging die beiden Treppen hinunter und goß sich einen Cognac ein. Die Beine waren ihm weich vor Erregung.
    Er schämte sich dessen ein wenig; das war sonst so gar nicht seine Art.
    »Alice«, murmelte er wie eine Beschwörung.
    Sie war nicht schön, ihr Körper war noch eckig, noch unvollendet. Wenn er sie in seine Arme nahm, reagierte sie nicht und preßte die Lippen aufeinander. Er mußte ihr die Scheu nehmen. Er fühlte sich glücklich und unglücklich zugleich.
    Endlich war es geschehen. Und sie, die wußte, daß er auf dem Treppenabsatz war, hatte den Riegel ihrer Mansarde zurückgeschoben, obwohl ihr bestimmt klar war, warum er kam. Also?
    Er verstand sie nicht. Er suchte nach einer Erklärung. Sie war gefügig gewesen, nichts weiter. Ihre Stimme hatte nur eine gewisse

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