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Der reiche Mann

Der reiche Mann

Titel: Der reiche Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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so viele Frauen haben, wie er wollte. Wenn er sich in eine andere verliebt hätte, hätte er ihr eine hübsche Wohnung eingerichtet, und er hätte sie zwei- oder dreimal in der Woche besucht, ja, jeden Tag, wenn es ihn danach verlangt hätte.
    »Woran denken Sie?«
    »An nichts.«
    »An wen?«
    »An ein junges Mädchen«, gestand er schließlich.
    »Können Sie sie nicht haben?«
    »Nein.«
    »Warum? Will sie nichts von Ihnen wissen?«
    »Das weiß ich nicht.«
    Sie lagen nebeneinander, und sie wurde schließlich kühner und streichelte ihn wie mechanisch.
    »Kommen Sie deswegen hierher?«
    »Ich bin schon früher hergekommen.«
    »Nenette ist eine Prachtfrau, aber sie hat nicht immer ein leichtes Leben gehabt. Sie hat Höhen und Tiefen erlebt.«
    »Ich kenne sie schon seit fünfzehn Jahren.«
    Er richtete sich auf, um zu trinken. Er war zu klar und hatte deshalb das Bedürfnis, seine Gedanken etwas verschwimmen zu lassen. Er brachte dem Mädchen ein Glas Sekt, das es, auf einen Ellbogen gestützt, langsam trank. Dabei beobachtete sie ihn unaufhörlich, als sei er ein Problem.
    »Ich kenne nicht viele Männer«, gestand sie schließlich, »aber ich glaube, es gibt nicht viele wie Sie. Sind Sie schon lange so?«
    »Seit zwei Wochen.«
    »Und vorher?«
    »War ich wie die anderen.«
    »Versuchen Sie mal eine Weile nicht mehr zu denken.«
    Sie trieben es sehr behutsam und ohne jedes Raffinement, und sie genoß es mehr als er.
    »Ist es jetzt vorbei?« fragte sie, als er sich erhob.
    »Nein. Ich möchte etwas trinken.«
    »Trinkst du immer so viel?«
    Sie sagte jetzt du zu ihm.
    »Nein.«
    Die Flasche war fast leer. Er drückte auf den Klingelknopf, und zwei Minuten später klopfte Nenette an die Tür und kam mit zwei Flaschen herein.
    »Ich habe gleich zwei mitgebracht.«
    Und die junge Frau im Bett fragte mit fast erschrockener Miene:
    »Willst du das alles trinken?«
    Er zuckte nur die Schultern. Sie kannte ihn nicht. Er goß ihr ein, aber sie trank bloß ein paar Schlucke und stellte das Glas dann auf den Nachttisch.
    »Wie war das, als du nach Hause kamst und dein Mann war auf und davon?«
    »Ich weiß es nicht. Anfangs war ich ganz verstört. Dann habe ich gedacht, es sei vielleicht besser so. Wir paßten nicht zueinander. Er war unbesonnen, nervös, wälzte immer unmögliche Pläne, und ich bin eher ruhig und vernünftig. Ich wollte nicht in Luçon bleiben, wo ich Verwandte habe, und bin nach La Rochelle gegangen. Ich habe erst sehr wenige Kunden, aber das kommt noch. Bis dahin komme ich hin und wieder her.
    Ich bin noch nie jemandem wie dir begegnet. Die anderen sind verlegen, oder aber sie erzählen einem ihre Lebensgeschichte, und danach haben sie’s eilig, fortzukommen. Bei dir hat man das Gefühl, dich schon lange zu kennen. Man möchte dir Fragen stellen, aber das magst du sicher nicht.«
    »Nein.«
    Sie trank ihr Glas aus.
    »Was machst du, wenn du betrunken bist?«
    »Nichts. Ich gehe nach Hause.«
    »Schilt deine Frau dich nicht?«
    »Nein.«
    »Du bist ein Phänomen.«
    »Ich bin kein Ausnahmefall. Jetzt muß ich noch etwas trinken. Gib mir dein Glas.«
    Sie tranken die zweite Flasche aus, ehe er sich wieder zu ihr setzte. Eine Viertelstunde später klopfte Nenette diskret an die Tür.
    »Herein«, rief er. Sie machte ihm ein Zeichen, zu ihr zu kommen.
    »Ich habe unten noch eine andere, die du noch nicht kennst. Soll ich sie heraufschicken?«
    Er zögerte.
    »Nein.«
    Sie konnten es gut miteinander, Helene und er. Sie machte kein Theater. Jetzt, da sie drei oder vier Glas getrunken hatte, glänzten ihre Augen, und sie mußte immerzu lachen.
    »Was wollte sie?«
    »Mir noch ein Mädchen schicken.«
    »Treibst du’s meistens mit mehreren?«
    »Mit zwei oder drei. Es hängt davon ab, wer gerade da ist.«
    »Machst du das schon lange so?«
    »Ja und nein. Früher einmal wöchentlich oder alle vierzehn Tage, aber jetzt brächte ich es fertig, jeden Tag zu kommen.«
    »Werden wir uns wiedersehn?«
    »Wahrscheinlich.«
    »Soll ich dir meine Adresse geben? Hast du Papier und Bleistift?«
    Er holte sein Notizbuch aus der Tasche.
    »Helene Fornoy, Rue du Marche 27. Zweite Etage.
    Ich empfange nie jemanden bei mir, aber mit dir ist das anders. Ich werde dir zwar keinen Champagner anbieten können, aber ich werde eine Flasche Cognac kaufen und sie für dich aufheben. Ich habe gesehen, daß du Cognac trankst, als ich hereinkam. Glaubst du, daß du kommen wirst?«
    »Ja.«
    »Weißt du, ich werde nichts von dir

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