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Der Reisende

Der Reisende

Titel: Der Reisende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Orson Scott Card
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Euch als das nehmen, was Ihr seid.«
    Mike schüttelte den Kopf. »Ich will nicht, daß er mich als das nimmt.«
    »Doch, das wollt Ihr, denn Ihr seid jemand, der ein guter Mensch sein will und das Böse, das er getan hat, wieder gutmachen will, und besser kann ein Mensch nicht werden.«
    Mike schüttelte nachdrücklicher und so heftig den Kopf, daß Schweißtropfen herumflogen. Peggy hatte nichts dagegen, daß ein paar auf ihrer Haut landeten. Sie waren durch ehrliche Arbeit entstanden und stammten von Alvins Freund.
    »Sprecht persönlich mit Alvin, Mr. Fink. Von Angesicht zu Angesicht. Seid sein Freund statt sein Retter. Freunde braucht er dringender. Ich sage Euch, und Ihr wißt, daß ich es weiß: Alvin wird in seinem Leben nur wenige wahre Freunde haben. Wenn Ihr ihm treu sein und ihn niemals verraten wollt, so daß er Euch immer vertrauen kann, kann ich Euch versprechen, daß er vielleicht ein paar Freunde haben wird, die er genauso, aber keinen, den er mehr liebt als Euch.«
    Mike Fink kniete nieder und wandte sein Gesicht dem Fluß zu. An dem Funkeln erkannte sie, daß in seinen Augen Tränen standen. »Ma’am«, sagte er, »darauf habe ich nicht zu hoffen gewagt.«
    »Dann braucht Ihr mehr Mut, mein Freund«, sagte sie. »Ihr müßt auf das zu hoffen wagen, was gut ist, statt Euch mit dem zu begnügen, was gerade mal genügt.« Sie erhob sich. »Alvin braucht Eure Gewalt nicht. Aber Eure Ehre – die kann ihm helfen.« Sie hob beide Taschen selbst hoch.
    Sofort sprang er auf. »Bitte, Ma’am, laßt mich …«
    Sie lächelte ihn an. »Ich habe gerade gesehen, wieviel Spaß es Euch macht, mit dem Fluß zu ringen. Das hat mich auf den Gedanken gebracht, selbst ein wenig körperliche Arbeit zu leisten. Werdet Ihr mir das Vergnügen gönnen?«
    Er verdrehte die Augen. »Ma’am, in allen Geschichten, die ich hier in der Gegend von Euch gehört habe, hat es nie geheißen, Ihr wäret verrückt.«
    »Dann habt Ihr der Legende jetzt etwas hinzuzufügen«, sagte sie blinzelnd. Sie trat mit den Taschen in den Händen auf das Dock. Sie waren schwer, und sie bedauerte es fast, seine Hilfe ausgeschlagen zu haben.
    »Ich habe Eure Worte vernommen«, sagte der ihr folgende Mike. »Aber bitte beschämt mich nicht, indem man mich mit leeren Händen sieht, während eine feine Dame ihr Gepäck selbst trägt.«
    Dankbar drehte sie sich um und gab ihm die Taschen. »Danke«, sagte sie. »Ich nehme an, manche Dinge muß man erst aufbauen.«
    Er grinste. »Vielleicht werde ich den Mut aufbauen, Alvin von Angesicht zu Angesicht gegenüberzutreten.«
    Sie schaute in sein Herzfeuer. »Das glaube ich bestimmt, Mr. Fink.«
    Als Fink ihre Taschen in die Kutsche stellte, in der einige Männer, die mit ihr übergesetzt hatten, ungeduldig auf sie warteten, fragte sie sich: Habe ich gerade den Verlauf der Ereignisse verändert? Ich habe Mike Fink näher zu Alvin gebracht, als er es je von sich aus gewagt hätte. Habe ich etwas getan, das Alvin letzten Endes retten wird? Habe ich ihm den Freund gegeben, der seine Feinde ins Unrecht setzen wird?
    Sie fand Alvins Herzfeuer, ohne großartig danach Ausschau halten zu müssen. Und nein, dort gab es keine Veränderung, keine Veränderung, abgesehen von einem Tag, an dem Mike Fink weinend eine Gefängniszelle verlassen würde; er wußte, daß Alvin ganz bestimmt sterben würde, wenn er nicht dort war, aber auch, daß Alvin sich weigerte, ihn bleiben und Wache halten zu lassen.
    Aber es war nicht das Gefängnis in Hatrack River. Und es war auch nicht in naher Zukunft. Doch selbst, wenn sie die Zukunft nicht großartig verändert hatte, sie hatte sie ein wenig verändert. Es würde noch weitere Veränderungen geben. Schließlich würde eine von ihnen den Unterschied ausmachen. Eine davon würde die Dunkelheit von Alvin abwenden, die das Ende seines Lebens einhüllte.
    »Gott sei mit Euch, Ma’am«, sagte Mike Fink.
    »Nennt mich bitte Miss Larner«, sagte Peggy. »Ich bin nicht verheiratet.«
    »Noch nicht«, sagte er.
    Obwohl Verily in der Nacht zuvor kaum geschlafen hatte, war er zu aufgeregt, um müde zu sein, als er den Gerichtssaal betrat. Nach all diesen Wochen der Erwartung hatte er Alvin Smith kennengelernt, und es war die Sache wert. Nicht, weil Alvin ihm mit seiner Weisheit Ehrfurcht eingeflößt hatte – später war noch genug Zeit, um von ihm zu lernen. Nein, die große und angenehme Überraschung war, daß er den Mann mochte. Er war vielleicht ein wenig ungehobelt, etwas

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