Der Reisende
ihr ins Ohr. »Ich weiß, wir müssen unterschiedliche Arbeit tun, nachdem wir das Haus der Weberin verlassen haben. Ich weiß, wir werden durch lange Reisen getrennt werden.«
Sie nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände. »Du weißt nicht, was du unterwegs vielleicht finden wirst. Welche Frau du vielleicht kennenlernen und stärker lieben wirst als mich.«
Alvin spürte einen stechenden Schrecken. Hatte sie das mit ihrem Fackeltalent gesehen? Oder war das nur eine Sorge, wie jede Frau sie hatte? Nun ja, es war seine Zukunft, oder etwa nicht? Und selbst, wenn sie die Möglichkeit sah, daß er eine andere liebte, hieß das noch lange nicht, daß er diese Möglichkeit auch wahr werden lassen mußte.
Er schlang seine langen Arme um ihre Taille, zog sie näher an sich und redete leise auf sie ein. »Du siehst Dinge in der Zukunft, die ich nicht sehen kann. Ich frage dich wie ein ganz gewöhnlicher Mann, und du antwortest mir wie eine Frau, die nur die Vergangenheit und Gegenwart kennt. Ich will dir versprechen, daß ich auf die Zukunft achtgeben werde.«
Sie wollte einen weiteren Einwand erheben, als er sie leicht auf die Lippen küßte. »Wenn du meine Frau bist, kann ich alles ertragen, was in der Zukunft wartet. Und ich werde mein Bestes tun, dir zu helfen, es ebenfalls zu ertragen. Der Richter ist noch hier. Laß mich mein Leben in der wiedergewonnenen Freiheit mit dir beginnen.«
Einen Augenblick lang blickten ihre Augen schwermütig und traurig, als sähe sie in seiner Zukunft einen schrecklichen Schmerz, furchtbares Leid. Oder war es in ihrer eigenen?
Dann schüttelte sie es ab, als sei es nur der Schatten einer Wolke gewesen, die über sie hinwegzog, und als sei nun die Sonne zurückgekehrt. Oder als habe sie sich entschieden, ein ganz bestimmtes Leben zu führen, ganz gleich, was es sie kostete, und hätte nun keine Angst mehr vor dem, was sich nicht ändern ließ. Sie lächelte, und Tränen strömten ihre Wangen hinab. »Du weißt nicht, was du tust, Alvin, aber ich bin stolz und froh, deine Liebe zu haben, und werde deine Frau sein.«
Alvin drehte sich zu den anderen um und rief ganz laut: »Sie hat ja gesagt! Richter! Jemand halte den Richter zurück! Nicht, daß er geht! Auf ihn wartet hier noch etwas Arbeit!« Während Peggy loslief, um ihren Vater zu suchen, damit er sie, wie es sich gehörte, dem Bräutigam zuführen konnte, holte Verily Cooper den Richter.
Als sie zu dem wartenden Alvin gingen, legte der Richter freundlich einen Arm über Verilys Schulter. »Mein Junge, Ihr habt einen scharfen Verstand, den Verstand eines Anwalts, und das weiß ich zu schätzen. Aber Ihr habt etwas an Euch, was die Leute mit den Zähnen knirschen läßt und gegen Euch aufbringt.«
»Wüßte ich, was es ist, würde ich es abstellen, Sir. Das könnt Ihr mir glauben.«
»Es hat eine Weile gedauert, bis ich dahintergekommen bin. Und ich weiß nicht, was Ihr dagegen tun könnt. Die Leute bringt von Anfang an gegen Euch auf, daß Ihr so verdammt englisch und gebildet und edel klingt.«
Verily grinste und antwortete dann mit dem regionalen Akzent, mit dem er aufgewachsen war und den er sich seit vielen Jahren abgewöhnen wollte. »Iah meint, Söa, würd ich wie’n normala Bursch sprächn, würd man mich bessr leida können?«
Der Richter jauchzte vor Lachen. »Genau das meine ich, Junge, aber ich weiß nicht, ob dieser Akzent viel besser ist!«
Und damit erreichten sie die Stelle, an der die Hochzeitsgesellschaft sich versammelt hatte. Horace stand neben seiner Tochter, und Arthur Stuart sollte Alvins Trauzeuge sein.
Der Richter wandte sich an Sheriff Doggly. »Verkündet das Aufgebot, mein guter Sir.«
»Ist hier jemand so töricht«, rief Po Doggly sofort, »daß er behaupten will, es gäbe ein Hindernis für die Ehe dieser guten und gottesfürchtigen Bürger?« Er drehte sich zum Richter um. »Soweit ich sehe, keine Seele, Sir.«
Und so wurden Alvin und Peggy getraut, während Horace Guester auf der einen und Arthur Stuart auf der anderen Seite stand, draußen vor der Schmiede, in der Alvin seine Lehrzeit verbracht hatte. Ein Stück den Hügel hinauf war das Flußhaus, in dem Peggy als Lehrerin verkleidet gewohnt hatte; dasselbe Flußhaus, in dem sie zweiundzwanzig Jahre zuvor, als fünfjähriges Mädchen, die Herzensfeuer einer Familie gesehen hatte, die sich während eines Hochwassers über den Hatrack River gekämpft hatte. Und im Leib der Mutter dieser Familie war ein Baby mit einem so hellen Herzfeuer
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