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Der Report der Magd

Der Report der Magd

Titel: Der Report der Magd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret Atwood
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weißgeflügelten Auge bestickt ist. Er läßt den Blick über den Raum schweifen, und unsere leisen Stimmen ersterben. Er braucht nicht einmal die Hand zu heben. Dann geht seine Stimme ins Mikrophon und kommt durch die Lautsprecher wieder heraus, ihrer tieferen Töne beraubt, so daß sie scharf metallen klingt, als würde sie nicht von seinem Mund, von seinem Körper, sondern von den Lautsprechern selbst hervorgebracht. Seine Stimme hat die Farbe von Metall und die Form eines Horns.
    »Heute ist ein Tag des Danksagens«, beginnt er, »ein Tag des Lobpreisens.«
    Ich schalte ab während seiner Rede über Sieg und Opfer. Dann folgt ein langes Gebet, über unwürdige Gefäße, dann ein Choral: »Gilead, gib dich zufrieden.«
    Gilead, laß mich in Frieden, sang Moira immer.
    Jetzt kommt der Hauptteil. Die zwanzig Engel kommen herein, frisch von der Front, frisch dekoriert, begleitet von ihrer Ehrengarde. So marschieren sie eins-zwei eins-zwei auf den offenen Platz in der Mitte. Stillgestanden, rührt euch. Und jetzt kommen die zwanzig verschleierten Töchter in Weiß schüchtern nach vorn, von ihren Müttern am Ellbogen gehalten. Die Mütter, nicht die Väter, geben heutzutage die Töchter weg und helfen beim Arrangieren der Ehen. Natürlich sind die Ehen arrangiert. Diese Mädchen durften schon jahrelang nicht mehr mit einem Mann allein sein; so viele Jahre lang, wie wir alle dies schon tun.
    Sind sie alt genug, um sich an irgend etwas aus der Zeit davor zu erinnern? Wie sie Baseball spielten, in Jeans und Turnschuhen, Fahrrad fuhren? Bücher lasen, ganz allein? Obwohl manche von ihnen nicht älter als vierzehn sind – Früh übt sich, heißt die Taktik, kein Augenblick ist zu verlieren –, werden sie sich doch erinnern. Und auch die nach ihnen werden sich erinnern, noch drei oder vier oder fünf Jahre lang. Aber danach nicht mehr. Sie werden immer in Weiß, immer in Mädchengruppen gewesen sein; sie werden immer stumm gewesen sein.
     
    Wir haben ihnen mehr gegeben, als wir ihnen genommen haben, sagte der Kommandant. Denk an die lästigen Dinge, die es vorher gab. Erinnerst du dich nicht an die Bars für Singles, die unwürdigen Blind Dates in der High School? An den Fleischmarkt? Erinnerst du dich nicht mehr an die schreckliche Kluft zwischen denen, die leicht einen Mann bekamen, und denen, die es nicht schafften? Manche von ihnen waren verzweifelt, sie hungerten sich dünn oder pumpten sich die Brüste mit Silikon voll oder ließen sich die Nasen abschneiden. Denk an das menschliche Elend.
    Er deutete mit der Hand auf seine Stapel von alten Zeitschriften. Sie haben sich immer beklagt. Problem hier, Problem da. Erinnerst du dich noch an die Anzeigen in den Spalten Bekanntschaften? Kluge attraktive Frau, Mitte dreißig… Auf diese Weise kriegten sie alle einen Mann, keine ging leer aus. Und wenn sie dann heirateten, konnte es ihnen passieren, daß sie mit einem Kind, zwei Kindern sitzengelassen wurden, der Ehemann brauchte es nur satt zu haben und abzuhauen, verschwinden, und sie mußten dann Sozialhilfe beziehen. Oder er blieb da und verprügelte sie. Und wenn die Frau einen Job hatte, mußte sie die Kinder in ein Tagesheim geben oder bei einer brutalen, ahnungslosen Frau lassen, und das mußte sie auch noch selbst bezahlen, von ihrem erbärmlichen niedrigen Lohn. Geld war der einzige Wertmaßstab für alle, als Mütter genossen sie keinen Respekt. Kein Wunder, daß sie die ganze Geschichte aufgaben. In unserem System sind sie geschützt, können sie in Frieden ihre biologische Bestimmung erfüllen. Mit voller Unterstützung und Ermutigung. So, jetzt sag mir mal. Du bist intelligent, ich möchte gern hören, was du denkst. Was haben wir übersehen?
    Die Liebe, sagte ich.
    Die Liebe? sagte der Kommandant. Welche Art Liebe?
    Das Verliebtsein, sagte ich.
    Der Kommandant sah mich mit seinen unschuldigen Jungenaugen an. O ja, sagte er. Ich habe in den Zeitschriften gelesen, dafür haben sie Reklame gemacht, nicht wahr? Aber sieh dir die Statistiken an, meine Liebe. Hat es sich wirklich gelohnt, dieses Sich-Verlieben ? Arrangierte Ehen haben immer genau so gut funktioniert, wenn nicht besser.
     
    Liebe sagte Tante Lydia mit Widerwillen. Laßt euch ja nicht dabei ertappen. Kein Schmachten und Schwärmen gibt's hier, Mädels. Und sie drohte uns mit dem Zeigefinger. Um Liebe geht es nicht.
     
    Jene Jahre waren, historisch gesehen, einfach eine Anomalie, sagte der Kommandant. Ein Zufall. Wir haben nichts anderes getan,

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