Der Report der Magd
Mädchen, der Geschenke, die kleine Kinder ihren Müttern früher am Muttertag machten; der Geruch weißer Baumwollsocken und weißer Baumwollpetticoats, der Geruch von Körperpuder, der Geruch der Unschuld weiblicher Körper, die noch nicht der Behaarung und dem Blut anheimgefallen sind. Er bewirkt, daß mir leicht übel wird, so als säße ich an einem heißen, schwülen Tag mit einer älteren Frau, die zu viel Gesichtspuder aufgelegt hat, in einem geschlossenen Auto. So etwa wirkt das Wohnzimmer, trotz seiner Eleganz.
Ich würde gern etwas aus diesem Zimmer stehlen. Ich würde gern irgendeinen kleinen Gegenstand mitnehmen, den verschnörkelten Aschenbecher, das kleine silberne Pillendöschen vom Kaminsims vielleicht, oder eine getrocknete Blume. Ich würde das gestohlene Gut in den Falten meines Kleids verstecken oder in meinem mit einem Reißverschluß versehenen Ärmel, es dort lassen, bis der Abend vorüber ist, es in meinem Zimmer verbergen, unter dem Bett oder in einem Schuh oder in einem Schlitz in dem harten gestickten GLAUBEN-Kissen. Hin und wieder würde ich ihn dann herausnehmen und ihn ansehen. Und das würde mir das Gefühl vermitteln, daß ich Macht besitze.
Aber solch ein Gefühl wäre eine Illusion, und es wäre auch zu riskant. Meine Hände bleiben, wo sie sind, in meinem Schoß gefaltet. Die Oberschenkel zusammengedrückt, die Fersen unter mir, von unten gegen meinen Körper gedrückt. Der Kopf gesenkt. In meinem Mund ist ein Geschmack von Zahnpaste: künstliche Pfefferminze und Gips.
Ich warte darauf, daß der Haushalt sich versammelt. Haushalt: das sind wir. Der Kommandant ist der Haushaltsvorstand. Das Haus ist das, was er in der Hand hat, hält. Haben und halten, bis daß der Tod uns scheidet.
Der Halt nach einer Bewegung. Stillstand.
Cora kommt als erste herein, dann Rita, die sich die Hände an der Küchenschürze abwischt. Auch sie wurden von der Glocke herbeizitiert, und sie sind verstimmt, denn sie haben andere Dinge zu tun, den Abwasch zum Beispiel. Aber sie müssen hier sein, sie müssen alle hier sein, die Zeremonie verlangt es. Wir sind alle verpflichtet, dies durchzustehen, so oder so.
Rita wirft mir einen finsteren Blick zu, bevor sie hereingeschlüpft kommt und sich hinter mich stellt. Es ist meine Schuld, diese Verschwendung ihrer Zeit. Nicht meine, sondern die Schuld meines Körpers, falls es da einen Unterschied gibt. Auch der Kommandant ist seinen Launen unterworfen.
Nick kommt herein, nickt uns allen dreien zu, schaut sich im Zimmer um. Auch er nimmt seinen Platz hinter mir ein und bleibt stehen. Er ist so nahe, daß seine Stiefelspitze meinen Fuß berührt. Ist das Absicht? Ob es Absicht ist oder nicht, wir berühren uns: zwei Formen aus Leder. Ich spüre, wie mein Schuh weich wird, Blut fließt hinein, er wird warm, er wird eine Haut. Ich bewege meinen Fuß eine winzige Spur, fort.
»Wenn er sich doch beeilen wollte«, sagt Cora.
»Beeil du dich mit dem Warten«, sagt Nick. Er lacht, bewegt seinen Fuß, so daß er wieder meinen berührt. Keiner kann es unter den Falten meines ausladenden Rockes sehen. Ich bewege mich unruhig hin und her, es ist zu warm hier drinnen, und mir ist übel von dem schalen Parfümduft. Ich ziehe den Fuß fort.
Wir hören Serena kommen, die Treppe herunter, den Flur entlang, das gedämpfte Pochen ihres Stocks auf dem Teppich, das dumpfe Tappen des gesunden Fußes. Sie kommt zur Tür hereingehoppelt, wirft einen kurzen Blick auf uns, zählt ab, mechanisch. Sie nickt Nick zu, sagt aber nichts. Sie hat eines ihrer besten Kleider an, himmelblau mit weißer Stickerei an den Rändern des Schleiers: blühende Blumen und Ranken. Noch in ihrem Alter spürt sie den Drang, sich selbst mit Blumen zu bekränzen. Nützt dir nichts, denke ich zu ihr hin, ohne eine Miene zu verziehen, du kannst sie nicht mehr nützen, du bist verwelkt. Sie sind die Geschlechtsorgane der Pflanze. Das habe ich irgendwo gelesen, vor langer Zeit.
Sie geht hinüber zu ihrem Sessel und Schemel, dreht sich um, läßt sich nieder, landet ungraziös. Sie hievt ihr linkes Bein auf den Schemel, sucht etwas in ihrer Ärmeltasche. Ich höre das Rascheln, das Klicken ihres Feuerzeugs, ich rieche das heiße Sengen, rieche den Rauch, atme ihn ein.
»Spät wie gewöhnlich«, sagt sie. Wir antworten nicht. Es klappert, als sie zum Lampentischchen hinübergreift, dann ein Klicken, und der Fernsehapparat durchläuft seine Aufwärmphase.
Ein Männerchor, Männer mit grünlich-gelber Haut,
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