Der Report der Magd
Orgien.
»Stellt das Licht schwächer«, sagt Tante Elizabeth. »Sagt ihr, daß es Zeit ist.«
Eine steht auf, geht zum Schalter an der Wand, das Licht im Zimmer wird schwächer, ist nur noch Zwielicht, und unsere Stimmen werden leiser, sind nur noch ein Chor von Quietschern, von heiserem Geflüster, wie Grashüpfer auf einem Feld bei Nacht. Zwei verlassen das Zimmer, zwei andere geleiten Janine zum Gebärstuhl, wo sie sich auf den niedrigeren der beiden Plätze setzt. Sie ist jetzt ruhiger, die Luft saugt sich gleichmäßig in ihre Lungen, wir beugen uns vor, angespannt, unsere Rücken- und Bauchmuskeln schmerzen von der Anstrengung. Es kommt, es kommt, wie ein Hornsignal, ein Ruf zu den Waffen, wie eine einstürzende Mauer, wir spüren es wie einen schweren Stein, der abwärts rollt, nach unten zieht in uns, wir haben das Gefühl, wir müßten zerspringen. Wir fassen einander an den Händen, wir sind nicht mehr einzelne.
Die Frau des Kommandanten kommt hereingeeilt in ihrem lächerlichen weißen Baumwollnachthemd, unter dem die spindeldürren Beine hervorschauen. Zwei der Ehefrauen in ihren blauen Kleidern und Schleiern halten sie an den Armen, als brauchte sie die Unterstützung; ein angespanntes kleines Lächeln liegt auf ihrem Gesicht, wie das einer Gastgeberin bei einer Gesellschaft, die sie lieber nicht gäbe. Sie muß wissen, was wir von ihr denken. Sie müht sich auf den Gebärstuhl, setzt sich auf den Platz hinter und über Janine, so daß Janine von ihr eingerahmt wird: die spindeldürren Beine hängen zu beiden Seiten herunter, wie Lehnen eines ausgefallenen Sessels. Komischerweise hat sie weiße Baumwollsocken an und Pantoffeln, blau, aus einem pelzigen Material wie Toilettendeckelbezüge. Aber wir achten nicht auf die Ehefrau, wir nehmen sie kaum wahr, unsere Augen sind auf Janine gerichtet. Im Dämmerlicht schimmert sie in ihrem weißen Hemd wie der Mond hinter einer Wolke.
Sie grunzt jetzt angestrengt. »Pressen, pressen, pressen«, flüstern wir. »Entspannen. Hecheln. Pressen, pressen, pressen.« Wir sind bei ihr, wir sind das gleiche wie sie, wir sind trunken. Tante Elizabeth kniet sich mit einem ausgebreiteten Handtuch hin, um das Kind aufzufangen, hier ist die Krönung, die Herrlichkeit, der Kopf, lila und mit Joghurt verschmiert, noch einmal Pressen, und es rutscht heraus, naßglänzend von Fruchtwasser und Blut, in unser Warten hinein. O Lobpreis.
Wir halten den Atem an, während Tante Elizabeth es untersucht: ein Mädchen, das arme Ding. Aber so weit so gut, jedenfalls fehlt ihm nichts, soweit man sehen kann, Hände, Füße, Augen, wir zählen stumm, alles an seinem Platz. Tante Elizabeth, die das Baby hält, schaut zu uns auf und lächelt. Auch wir lächeln, wir sind ein einziges Lächeln, Tränen laufen uns über die Wangen, so glücklich sind wir.
Unser Glück besteht zum Teil aus Erinnerung. Ich erinnere mich an Luke, der mit mir in der Klinik war, der neben mir stand und meine Hand hielt, in dem grünen Kittel und mit der weißen Maske, die man ihm gegeben hatte. Oh, sagte er. O Gott. Als staunender Hauch kam es aus ihm heraus. In dieser Nacht konnte er überhaupt nicht schlafen, sagte er, so freudig erregt war er.
Tante Elizabeth wäscht das Neugeborene behutsam ab, es schreit nicht sehr, es hört auf. So leise wie möglich, um es nicht zu erschrecken, stehen wir auf und drängen uns um Janine, drücken sie, streicheln sie. Auch sie weint. Die beiden Ehefrauen in Blau helfen der dritten Ehefrau, der Ehefrau des Hauses, vom Gebärstuhl herunter und zum Bett hinüber, wo sie sie hinlegen und sorgfältig zudecken. Das Neugeborene, das jetzt gewaschen und still ist, wird ihr feierlich in die Arme gelegt. Jetzt drängen die Ehefrauen von unten herein, schieben sich zwischen uns, stoßen uns beiseite. Sie sprechen zu laut, einige halten noch ihre Teller in der Hand, ihre Kaffeetassen, ihre Weingläser, manche kauen noch. Sie scharen sich um das Bett, die Mutter und das Kind, gurren und gratulieren. Neid geht von ihnen aus, ich kann ihn riechen, leichte Schwaden säuerlichen Geruchs, vermischt mit ihren Parfüms. Die Ehefrau des Kommandanten schaut auf das Kind hinunter, als wäre es ein Blumenstrauß: etwas, was sie gewonnen hat, ein Tribut.
Die Ehefrauen sind hier, um Zeugen der Namensgebung zu sein. Denn hier geben die Ehefrauen den Namen.
»Angela«, sagt die Frau des Kommandanten.
»Angela, Angela«, wiederholen die Ehefrauen zwitschernd. »Was für ein reizender Name! Oh, ist
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