Der Report der Magd
sie kniete auf dem Boden und hob die Glasscherben und die Eireste auf und legte alles auf das Tablett. Dann tupfte sie etwas von dem Orangensaft mit der Papierserviette auf.
Ich muß einen Lappen holen, sagte sie. Wahrscheinlich wollen sie dann wissen, warum ich noch zwei Eier will. Außer wenn du darauf verzichtest. Sie blickte seitwärts zu mir hoch, verschlagen, und ich sah ein, daß es besser war, wenn wir beide so taten, als hätte ich mein Frühstück gegessen. Wenn sie erzählte, daß sie mich auf dem Fußboden vorgefunden hätte, würde es zu viele Fragen geben. Für die Glasscherben würde sie sich in jedem Fall rechtfertigen müssen; aber Rita würde bestimmt übellaunig reagieren, wenn sie ein zweites Frühstück zubereiten müßte.
Ich kann auf die Eier verzichten, sagte ich. So hungrig bin ich nicht. Das war gut, es paßte zu dem Schwindelgefühl. Aber den Toast könnte ich gut vertragen, sagte ich. Ich wollte nicht ganz ohne Frühstück bleiben.
Er hat aber auf dem Boden gelegen, sagte sie.
Das macht nichts, sagte ich. Ich saß da und aß die Scheibe braunen Toast, während sie ins Badezimmer ging und die Überreste von dem Ei, die nicht mehr zu retten waren, die Toilette hinunterspülte. Dann kam sie zurück.
Ich werde sagen, daß ich das Tablett auf dem Weg nach draußen habe fallen lassen, sagte sie.
Es freute mich, daß sie bereit war, für mich zu lügen, wenn auch nur in einer so kleinen Angelegenheit, wenn auch nur um ihres eigenen Vorteils willen. Es war etwas, das uns verband.
Ich lächelte sie an. Hoffentlich hat dich niemand gehört, sagte ich.
Hab ich vielleicht einen Schreck gekriegt, sagte sie, als sie mit dem Tablett in der Tür stand. Zuerst dachte ich, es wären nur deine Kleider. Dann habe ich mir gesagt: Was tun die da auf dem Fußboden? Ich dachte, du wärst vielleicht…
Weggelaufen, sagte ich.
Na ja. Aber, sagte sie. Aber dann warst du es.
Ja, sagte ich. Ich war es.
Und ich war es tatsächlich, und sie ging mit dem Tablett hinaus und kam mit einem Tuch zurück, um den verschütteten Orangensaft aufzuwischen, und am Nachmittag machte Rita eine mürrische Bemerkung über Leute mit zwei linken Händen. Den Kopf zu voll, gucken nicht, wo sie hintreten, sagte sie, und danach machten wir weiter, als wäre nichts geschehen.
Das war im Mai. Den Frühling haben wir inzwischen hinter uns. Die Tulpen haben ihren großen Moment gehabt und sind verwelkt, werfen ihre Blütenblätter einzeln ab, wie Zähne. Eines Tages überraschte ich Serena Joy, wie sie auf einem Kissen im Garten kniete, ihren Stock neben sich im Gras. Sie schnitt mit einer Gartenschere die Blütenstände ab. Ich beobachtete sie von der Seite, während ich mit meinem Korb voll Orangen und Lammkoteletts vorbeiging. Sie zielte, legte die Schneiden der Schere an und schnitt dann mit einem krampfartigen Ruck. War es die aufsteigende Arthritis? Oder ein Blitzkrieg, ein Kamikazeeinsatz, gegen die schwellenden Genitalien der Blumen? Der reifende Körper. Das Abschneiden der Samenstände soll die Zwiebel veranlassen, Energie zu speichern.
Die heilige Serena, auf den Knien, büßend.
Ich amüsierte mich oft auf diese Weise mit kleinen gemeinen, bitteren Witzen über sie; doch nie lange. Es gehört sich nicht, Serena Joy von hinten zu beobachten.
Was ich begehrte, war die Gartenschere.
Ja. Und dann hatten wir die Schwertlilien, die sich schön und kühl auf ihren hohen Stengeln reckten, wie geblasenes Glas, wie pastellfarbenes Wasser, für einen Augenblick nur in einem Spritzer gefroren, hellblau, hellviolett, und die dunkleren, samtig und purpurrot, schwarzes Ferkelkraut in der Sonne, indigoblauer Schatten, und die Tränenden Herzen, so weiblich in ihrer Form – erstaunlich, daß sie nicht längst ausgerissen worden waren. Er hat etwas Subversives, dieser Garten von Serena, als gäbe es hier lauter begrabene Dinge, die nach oben hervorbrechen, wortlos, ans Licht, wie um zu mahnen, wie um zu sagen: Was zum Schweigen gebracht wurde, wird tosen, um gehört zu werden, und sei es stumm. Ein Tennyson-Garten, schwer von Duft, träge; die Wiederkehr des Wortes Verzückung. Licht strömt von der Sonne nieder auf ihn, gewiß, doch es steigt auch Hitze auf, von den Blumen selbst, man spürt sie: als hielte man die Hand einen Zentimeter über einen Arm, über eine Schulter. Er atmet in der Wärme, er atmet sich selbst ein. Wenn ich in diesen Tagen der Pfingstrosen und der Nelken hindurchgehe, schwirrt mir der Kopf.
Die
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