Der Report der Magd
Weide steht in vollem Gefieder und hilft mir auch nicht mit ihrem einschmeichelnden Geflüster. Rendezvous sagt sie, Terrassen, und der Zischlaut läuft mir die Wirbelsäule hinauf, ein Schaudern wie im Fieber. Das Sommerkleid raschelt an der Haut meiner Schenkel, das Gras wächst unter meinen Füßen, in meinen Augenwinkeln sind Bewegungen im Gezweig – Federn, pfeilschnelle Flügel, anmutige Klänge, ein Baum, der sich in einen Vogel verwandelt, wildgewordene Metamorphose. Göttinnen könnten jetzt erscheinen, und die Luft ist erfüllt von Sehnsucht. Sogar die Ziegelsteine des Hauses erweichen sich, laden zur Berührung ein; wenn ich mich an sie lehnte, wären sie warm und nachgiebig. Es ist erstaunlich, was Verweigerung bewirken kann. War es der Anblick meiner Fessel, was ihn unvorsichtig, was ihn schwach werden ließ, gestern, am Kontrollpunkt, als ich meinen Paß fallen ließ und erlaubte, daß er ihn mir aufhob? Kein Taschentuch, kein Fächer, ich benutze, was gerade zur Hand ist.
Der Winter ist nicht so gefährlich. Ich brauche Härte, Kälte, Starrheit; nicht diese Schwere, als wäre ich eine Melone an einem Stengel, diese fließende Reife.
Der Kommandant und ich haben eine Übereinkunft. Es ist nicht die erste Übereinkunft dieser Art in der Menschheitsgeschichte, auch wenn die Form, die sie angenommen hat, nicht die übliche ist.
Ich besuche den Kommandanten an zwei oder drei Abenden in der Woche, immer nach dem Abendessen, aber nur, wenn ich das Zeichen bekomme. Das Zeichen ist Nick. Wenn er das Auto poliert, wenn ich zum Einkaufen aufbreche oder wenn ich zurückkomme, und wenn seine Mütze schief sitzt oder er sie gar nicht aufhat, dann gehe ich. Wenn er nicht da ist oder die Mütze gerade aufhat, bleibe ich wie normalerweise in meinem Zimmer. An den Abenden der Zeremonie gilt das alles natürlich nicht.
Das Problem ist die Ehefrau, wie immer. Nach dem Abendessen geht sie in das gemeinsame Schlafzimmer der beiden. Dort könnte sie mich denkbarerweise hören, wenn ich durch die Diele schleiche, obwohl ich mir Mühe gebe, sehr leise zu sein. Oder sie bleibt im Wohnzimmer, um an ihren endlosen Engelschals weiterzustricken, um Meter um Meter komplizierter und nutzloser Wollmännchen zu produzieren: ihre Form der Fortpflanzung, so muß es wohl sein. Die Wohnzimmertür bleibt gewöhnlich angelehnt, wenn sie dort drinnen sitzt, und ich wage nicht, daran vorbeizugehen. Wenn ich das Zeichen bekommen habe, es aber nicht schaffe, die Treppe hinunter oder durch die Diele zu gehen, am Wohnzimmer vorbei, versteht der Kommandant das. Er kennt meine Situation, niemand kennt sie besser. Er kennt alle Regeln.
Manchmal jedoch ist Serena Joy außer Hause und besucht eine andere Kommandantenfrau, zum Beispiel eine, die krank ist; das ist das einzige, wohin sie abends allein gehen kann. Sie nimmt etwas zu essen mit, einen Kuchen oder eine Pastete oder einen Laib Brot, den Rita gebacken hat, oder ein Glas Gelee aus den Minzeblättern, die in ihrem Garten wachsen. Diese Kommandantenfrauen werden oft krank. Das macht ihr Leben interessanter. Wir dagegen, die Mägde und sogar die Marthas, wir vermeiden es, krank zu werden. Die Marthas wollen sich nicht zwingen lassen, in den Ruhestand zu treten, denn wer weiß, wo sie dann hinkommen? Man sieht längst nicht mehr so viele alte Frauen. Und für uns wäre jede wirkliche Krankheit, jedes schleichende Leiden, jede Schwäche, jeder Verlust an Gewicht oder Appetit, jeder Haarausfall, jedes Drüsenversagen das Ende. Ich erinnere mich daran, wie Cora, zu Beginn des Frühlings, trotz einer Grippe herumlief, und wie sie sich an den Türrahmen hielt, wenn sie glaubte, daß niemand sie sähe, und wie sie darauf achtete, daß sie nicht hustete. Eine kleine Erkältung, sagte sie, wenn Serena sie fragte.
Auch Serena selbst nimmt sich gelegentlich ein paar Tage frei und packt sich ins Bett. Dann ist sie diejenige, die den Besuch empfängt, die Ehefrauen, die die Treppe hinaufrascheln, gackernd und fröhlich; sie bekommt dann die Kuchen und Pasteten, das Gelee, die Blumensträuße aus den Gärten der Frauen.
Sie wechseln sich ab. Es gibt eine unsichtbare, ungeschriebene Liste. Jede achtet darauf, daß sie nicht mehr als ihr Teil an Aufmerksamkeit einheimst.
An den Abenden, an denen zu erwarten ist, daß Serena außer Haus sein wird, werde ich mit Sicherheit gerufen.
Das erste Mal war ich verwirrt. Ich hatte keine Ahnung von seinen Bedürfnissen. Was ich dann davon wahrnahm, schien mir
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