Der Retter von Dent-All
Vergünstigung für den Todeskandidaten. Man mußte ihr ja die Chance geben, den tödlichen Strahler von dem harmlosen zu unterscheiden. Sonst wäre ja jede Wachsamkeit sinnlos gewesen. Dann fügte ihr Wille sich in das Unvermeidliche, und sie würde sich hinlegen und ergeben auf den Tod warten. Damit wäre die Hinrichtung zu einem abgekürzten Verfahren geworden und die Folterqualen zu einer kurzen Leidenszeit.
Sie nickte wieder ein — und wurde erneut getroffen. Doch diesmal hatte sie fast eine halbe Stunde schlafen können. Damit schöpfte sie Kraft für eine Nachtwache von mehreren Stunden.
Wieder verschwammen die vielfarbigen Strahler vor ihren Augen. Unerträgliche Kopfschmerzen marterten sie. Sie wußte, daß das unvermeidliche Ende dicht bevorstand. Und dabei wollte sie doch nur ihrem Chef, Dr. Dillingham, in die Galaxis folgen. Er hatte sie im Stich gelassen.
Tatsächlich? Oder hatte man nur vergessen, ihm ihre Botschaft auszurichten? Vielleicht hatte die Verwaltung der Universität ihre Bewerbung als Hirngespinst abgetan und zu den Akten gelegt. Vielleicht hatte Dr. Dillingham bereits eine kompetente galaktische Kraft als Assistentin...
Ein größeres Licht tauchte jetzt am Horizont auf. Judy glaubte, das Licht kündigte die aufgehende Sonne von Lepidop an, obgleich sie sich wunderte, daß die Nacht so rasch verflogen war. Dann aber unterschied sie Reflexe auf einer Metallhaut. Dort flog irgendeine Maschine, aber ohne Flügel.
Aus dieser Maschine blitzte es auf — ein Scheinwerfer schwenkte über die Stadt, kam auf sie zu.
War das der erlösende Laser, der ihr den Tod bringen sollte?
Judy schrie unwillkürlich auf, als der Schweinwerfer sie erfaßte und in blendendes Licht tauchte. Doch das Licht tat nicht weh. Die Maschine folgte ihrem Lichtstrahl wie eine Lokomotive dem Schienenweg. Judys Käfig explodierte. Sie stürzte geblendet zu Boden. Sie hörte das protestierende Piepsen der Nachtfalter. Dann packte sie etwas am Arm, riß sie auf die Füße.
»Keiner außer mir wird ihn töten!« hallte eine metallene Stimme durch die Nacht. »Und du wirst ihm inzwischen Gesellschaft leisten.«
»Da sagst du mir nichts Neues!« schrie sie hysterisch. »Gib mir wenigstens ein bißchen Butter, damit die Brandwunden nicht so weh tun...«
Wann war dieses grausame Spiel denn endlich vorüber?
8
»Doktor, Sie brauchen unbedingt eine Assistentin«, sagte die Auster. Seine Magnifizenz hatte sich zu einem Nickerchen hinter seine Schalen zurückgezogen, doch das Übersetzungsgerät übertrug das wäßrige Gemurmel in klar verständliches Englisch.
Eine Assistentin? Dillingham war auch schon auf diese Idee gekommen. Die Büroarbeit türmte sich in Gestalt von Akten vor ihm auf. Zu seinen eigentlichen Pflichten kam er fast nicht mehr. Manchmal vergaß er sogar seinen offiziellen Titel, weil sein Verstand sich mit so vielen Dingen zugleich beschäftigen mußte. Jeden Augenblick würde man ihn mit einem harmlosen Auftrag losschicken, der sich dann als Himmelfahrtskommando entpuppte.
Natürlich bestanden die Akten nicht aus Papier. Doch selbst in einem vollcomputerisierten Geschäftsbetrieb mit vielsprachigen Memobändern war die Arbeit kein Honiglecken. Tausende von winzigen Plastikblättchen lagen auf seinem Tisch, und jedes Blättchen stellte das Problem eines Studenten dar, das durchdacht und entschieden werden mußte. Seit Dillingham die Erde verlassen hatte, hatte er immer ohne Assistentin auskommen müssen. Er hatte sich nie ganz an diesen Zustand gewöhnen können.
Die Assistentin seines Chefs konnte er leider nicht für sich beanspruchen. Miss Tarantula war ein Musterbeispiel spinnenartiger Tüchtigkeit. Ob im Büro oder in der Zahnklinik, ob an der Universität oder auf Dienstreisen — immer räumte sie mit ihren acht Armen alle Schwierigkeiten aus dem Weg, ehe sie sich richtig entwickelt hatten. Deswegen war der Schreibtisch der Auster auch immer leer, während Dillingham nie mit seiner Arbeit fertig wurde. Hätte ihm nur eine halb so fähige Assistentin als Mitarbeiterin zur Seite gestanden, wäre sein Schreibtisch ebenfalls leer gewesen.
Die Auster schob einen Fühler aus ihren Schalen hervor. »Wir müssen ein paar geeignete Bewerberinnen zur Vorstellung hierherbitten«, sagte der Rektor zu seiner Sekretärin. »Voraussetzungen: Weibliches Geschlecht, ohne Anhang, adrettes Aussehen, Landbewohnerin, hervorragende Sachkenntnisse...«
»Die erste Bewerberin wartet bereits im Vorzimmer«, unterbrach
Weitere Kostenlose Bücher