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Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Der Richter und sein Henker - Der Verdacht

Titel: Der Richter und sein Henker - Der Verdacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Dürrenmatt
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schüttelte Schwester Klär: mißbilligend den Kopf und räumte ab.
    »Ich werde Sie als Mitwisserin der Polizei übergeben«, drohte der Kommissär, zur billigsten Waffe greifend, wie er wohl wußte.
    »Sie sind auf der Abteilung drei«, sagte Schwester Kläri Glauber, traurig über den störrischen Kranken, und ging hinaus.
    Ärgerlich griff der Alte zur Post. Das Kuvert kannte er, es war jenes, in welchem Fortschig seinen Apfelschuß zu verschicken pflegte. Er öffnete, und die Zeitung fiel heraus. Sie war wie immer seit fünfundzwanzig Jahren mit einer nun wohl
    rostigen und klapprigen Schreibmaschine geschrieben, mit mangelhaftem l und r. »Der Apfelschuß, schweizerisches Protestblatt für das Inland samt Umgebung, herausgegeben von Ulrich Friedrich Fortschig«, war der Titel, dies gedruckt, und darunter, nun mit der Schreibmaschine getippt: 285
    Ein SS-Folterknecht als Chefarzt
    Wenn ich nicht die Beweise hatte (schrieb Fortschig), diese fürchterlichen, klaren und unwider-legbaren Beweise, wie sie weder ein Kriminalist noch ein Dichter, sondern allein die Wirklichkeit aufzustellen in der Lage ist, so würde ich genötigt sein, als Ausgeburt einer krankhaften Ein-bildungskraft zu bezeichnen, was hier die Wahrheit mich zwingt niederzuschreiben. Der Wahrheit denn das Wort, auch wenn sie uns erblassen läßt, auch wenn sie das Vertrauen, welches wir — immer noch und trotz allem — in die Menschheit setzen, für immer erschüttert. Daß ein Mensch, ein Berner, unter fremdern Namen, in einem Vernichtungslager bei Danzig seinem blutigen Handwerk nachging — ich wage nicht näher zu
    beschreiben, mit welcher Bestialität —, entsetzt uns, daß er aber in der Schweiz einem Spital vorstehen darf, ist eine Schande, für die wir keine Worte finden, und ein Anzeichen, daß es nun auch bei uns wirklich Matthäi am letzten ist. Diese Worte mögen denn einen Prozeß einleiten, der, obschon

    schrecklich und für unser Land peinlich, dennoch gewagt werden muß, steht doch unser Ansehen auf dem Spiel, das harmlose Gerücht, wir mauserten uns noch so ziemlich redlich durch die düsteren Dschungel dieser Zeit — (zwar manchmal mehr Geld verdienend als gerade üblich mit Uhren, Käse und einigen, nicht sehr ins Gewicht fallenden Waffen). So schreite ich denn zur Tat. Wir verlieren alles, wenn wir die Gerechtigkeit aufs Spiel setzen, mit der sich nicht spielen läßt, auch wenn es uns Pestalozzis beschämen muß, einmal selber eins auf die Finger zu bekommen. Den Verbrecher jedoch, einen Arzt in Zürich, dem wir keinen Pardon geben, weil er nie einen gab, den wir erpressen, weil er erpreßte, und den wir schließlich morden, weil er unzählige mordete — wir wis sen, es ist ein Todesurteil, das wir niederschreiben —
    (diesen Satz las Bärlach zweimal); jenen Chefarzt einer Privatklinik — um deutlich zu werden —
    fordern wir auf, sich der Kriminalpolizei Zürich zu stellen. Die Menschheit, die zu allem fähig wird und die in steigendem Maße den Mord wie keine zweite Kunst versteht, diese Menschheit, an der schließlich auch wir hier in der Schweiz teilhaben, da auch wir die gleichen Keime des Unglücks in uns tragen, die Sittlichkeit für unrentabel und das Rentable für sittlich zu halten; sie sollte endlich einmal an dieser durch das bloße Wort gefällten Bestie von einem Massen mörder lernen, daß der 287
    Geist, den man mißachtet, auch die schweigenden Münder aufbricht und sie zwingt, ihren eigenen Untergang herbeizuführen.
    Sosehr dieser hochtrabende Text Bärlachs ur-sprünglichem Plane entsprach, der recht simpel und unbekümmert darauf ausgegangen war, Emmenberger einzuschüchtern — das andere würde sich dann schon irgendwie geben, hatte er mit der fahrlässigen Selbstsicherheit eines alten Kriminalisten gedacht —, so unbestechlich erkannte er nun, daß er sich geirrt hatte. Der Arzt konnte bei weitem nicht als ein Mann gelten, der sich einschüchtern ließ. Fortschig schwebte in Todesgefahr, fühlte der Kommissär, doch hoffte er, daß sich der
    Schriftsteller schon in Paris und damit in Sicherheit befinde.
    Da schien sich Bärlach unvermutet eine Möglichkeit zu bieten, mit der Außenwelt in Verbin-dung zu treten.
    Ein Arbeiter betrat nämlich den Raum, Dürers
    »Ritter, Tod und Teufel« in einer vergrößerten Wiedergabe unter dem Arm. Der Alte schaute sich diesen Mann genau an, es war ein gutmütiger, etwas verwahrloster Mensch von nicht ganz fünfzig Jahren, wie er schätzte, in einer blauen

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