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Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
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momentan jedes andere Gefühl. Also spülte sie sich den Mund und sah sich entschlossen in die Augen. Grüne Augen, gar nicht mal so hässlich. Vielleicht das Beste an ihr. Die Nase mindestens um so viel zu klein, wie Bronsteins Zinken zu groß geraten war.
    Schluss mit der Inspektion.
    Sie wandte sich ab und frottierte sich das Gesicht. Allmählich bekam sie wieder einen klaren Kopf. Max war also gar nicht vor ihr geflüchtet! Diese Erkenntnis ließ plötzlich alles in einem anderen Licht erscheinen. Seine Spaßaktion mit der Wurlitzer – war das nicht ein Abschiedsgruß mit Inhalt? Eine Botschaft an sie? »Muss i denn, muss i denn« – Max musste ja gehen, zwangsläufig nach dem Rausschmiss. »Und du, mein Schatz, bleibst hier!« Mein Schatz. Meinte er damit… vielleicht…?
    Elke öffnete die Duschkabine, drehte den Mischer auf und ließ das Wasser laufen. Dann schlich sie sich über den Flur in das chaotisch vollgepfropfte Arbeitszimmer ihres Vaters, zog die Tür hinter sich zu und fuhr den Computer hoch, ein High-End-Gerät auf dem letzten Stand der Technik. Straschitz war zwar Historiker, aber nicht von Gestern. Zum Glück. Unter den zahlreichen Papierstapeln in der Wohnung hätte Elke wohl kaum die Liste gefunden, nach der sie suchte. Aber in den sauber beschrifteten Verzeichnissen auf der Festplatte fand sie sie nach kürzester Zeit: Die Liste der Studenten aus Straschitz’ aktuellem Seminar »Hamburg im 19. Jahrhundert«, inklusive ihrer Adressen und Telefonnummern. Elke notierte sich Max’ Daten, fuhr den PC wieder herunter und lugte in den Flur. Im Badezimmer rauschte die Dusche, in der Küche klapperte ihr Vater mit der Kaffeekanne. Sollte er ruhig annehmen, sie litte neben Fresssucht auch noch an Waschzwang… Elke huschte in das Zimmer mit der Wurlitzer, packte ihren Koffer und schleppte ihn ungesehen zur Wohnungstür.
    Der Lift stand schon in ihrem Stockwerk. Als die Flügeltür hinter ihr zusammen glitt und sich die betagte Kabine rumpelnd in Bewegung setzte, atmete Elke befreit durch. Und du, mein Schatz, bleibst hier.
    Von wegen, mein Schatz.
    Ich komme.

10.
    Die Meilensteine seiner Kindheit, alle auf engstem Raum versammelt: Der Kindergarten an der Bornheide, daneben die Grundschule, später dann die Geschwister-Scholl-Gesamtschule am Böttcherkamp, die auch nur ein paar Ecken entfernt lag. Alle Stationen hatte Max zusammen mit Oleg durchlaufen. Osdorf, Stadtteil der harten Kontraste. Grüne Gärten, lärmende Verkehrsschneisen, Dorfkern mit Windmühle, Elbe-Einkaufszentrum, Chinaküche hinter norddeutschem Fachwerk und Reet – hier lief einiges zusammen, was sonst nicht unbedingt zusammen gehörte. Doch was Ortsfremde vielleicht irritieren mochte, löste bei Max nur Heimatgefühle aus. Sogar die monströsen Plattenbaugebirge der Großsiedlung Osdorfer Born empfand er nicht als schockierend, sondern nur als eine vertraute Landmarke.
    Willkommen zu Hause, Heimspieler.
    Hier hatte er zwar nie gewohnt, war aber oft genug zu Besuch gewesen. Olegs Mutter wohnte in einem der höchsten Blocks. Max schloss seine Rikscha an und sah zwei bekannte Gestalten aus dem Hauseingang treten und auf sich zu kommen.
    »Harder.« Aus Kommissar Hesses Mund klang das eher wie die Feststellung einer unangenehmen Tatsache als wie eine Begrüßung. Seine Kollegin Bronstein erlaubte sich wenigstens die Andeutung eines Lächelns. Max grüßte nur abwartend.
    »Ihr Freund ist leider nicht hier«, verkündete Hesse. »Falls Sie seine Mami gerade nach ihm fragen wollten!«
    Bronstein sah erst auf das Gelbe Ungetüm und dann auf den jungen Mann. »Sind Sie etwa extra deswegen mit dem Ding hierher gestrampelt?«
    »So abwegig scheint die Idee nicht zu sein – Sie sind ja auch deswegen hier.«
    »Nicht ursprünglich«, versetzte Bronstein.
    Max sah die Kriminalpolizistin fragend an, ehrlich überrascht. »Nicht?«
    Hesse schnaubte verächtlich. »Spielen Sie nur weiter den Ahnungslosen, Harder! Sie sind doch hier aufgewachsen! Wo genau eigentlich?«
    »Harderweg.«
    Hesse blieb einen Moment die Luft weg, dann verfärbte sich sein Gesicht ins Dunkle. »Sie finden sich wohl enorm komisch, was? Sie…!«
    »Chef…« versuchte Bronstein zu intervenieren, aber Hesse ging durch wie ein wütender Stier, reckte sein kantiges Kinn und schob sich bedrohlich dicht an Max heran.
    »Das Unschuldslamm spielen und sich über die blöden Bullen lustig machen! Aber das sage ich Ihnen, verarschen lasse ich mich nicht von

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