Der Rikschamann
Binnenalster mit grünweißen Alsterdampfern und der glitzernden Wasserfontäne. Alles bei Sonnenschein, perfekt wie Doris Days Colgatelächeln. Als wären abgeschlagene Köpfe und verschwundene Freunde Geschichten aus einem anderen Universum.
Max hielt neben dem Alsterpavillon. Während Basti schon zum Anleger der Alsterdampfer hinunter trottete, zählte seine Freundin Max die acht Euro auf die Hand – ohne Trinkgeld.
»Sieben, acht! Kann man Sie eigentlich vorbuchen?«
»Sicher.« Max zog eine der Rikscha-Visitenkarten heraus und zögerte. »Haben Sie was zu Schreiben?«
Sie reichte ihm einen Kugelschreiber, und er ersetzte die Nummer des Diensthandys auf der Karte mit seiner eigenen Mobilnummer. Die Diensthandynummer durchzustreichen, versetzte ihm regelrecht einen Stich – als würde man Oleg ausradieren, schoss es ihm in den Sinn. Er schüttelte den Gedanken rasch ab.
»Bei Bedarf – einfach anrufen.«
Sie steckte Stift und Karte dankend ein. »Sie fahren doch auch Hochzeitspaare?«
»Natürlich. Haben Sie schon einen Termin?«
»Erst mal muss er mir einen Antrag machen«, erklärte sie freimütig und zwinkerte ihm überraschend verrucht zu. »Aber das ist ja wohl kein Problem.« Sie warf Max eine Kusshand zu und folgte dem nichtsahnenden Basti hinunter zum Anleger.
»Ein echtes Herzchen!« kommentierte eine bekannte Stimme.
»Und so subtil«, gab Max schmunzelnd zurück, ohne sich im Sattel zu wenden. Mo schob seine athletische Gestalt und die tropfenförmige City-Cycle-Rikscha neben das Gelbe Ungetüm und warf einen vielsagenden Blick auf dessen lädierte Schutzbleche.
»Schon wieder eine riskante Wette gewonnen?«
»Keine Wette, aber gewonnen.«
»So sehen also Gewinner aus.«
»Gewinner stehen erst nach dem Abpfiff fest. Noch wird gespielt.«
Mo streifte Max mit einem forschenden Seitenblick und sah dann wieder scheinbar gelassen einer Möwe zu, die unten auf dem Ponton verzweifelt eine zerquetschte Eiswaffel gegen eine Rotte räudiger Großstadttauben verteidigte.
»Die Kripo war bei uns in der Firma. Ein graumelierter Knacker mit Röntgenblick und eine Ische mit Dosenöffnernase und sexy Stimme.«
»Kommissar Hesse und Bronstein.«
Mo nickte bestätigend. »Haben Kuli und mich ’ne volle Stunde von der Arbeit abgehalten. Am Langen Samstag. Schaller ist fast ausgeflippt.«
Schaller, der Chef von City-Cycle, ein Choleriker mit chronischem Bluthochdruck und Sklaventreiber-Naturell. Max grinste unwillkürlich vor sich hin. Über den chaotischen Oleg und den nur schwer einzuschüchternden Max hatte sich Schaller früher oft genug aufgeregt, aber Mo’s stoische Art trieb den Mann regelmäßig durch die Decke.
»Wollten alles über die Kleine wissen, die vor dem Hanseviertel in deiner Karre gesessen hat«, fuhr Mo fort. »Du hast echt ihren Schädel aus dem Fleet gebaggert? Kanntest du die eigentlich?«
»Ich hab’ sie beim Hanseviertel auch das erste Mal gesehen, genau wie du und Kuli! Könnte aber sein, dass Oleg sie gekannt hat.«
»Dann sollen die Bullen doch ihn fragen.«
»Würden sie gerne. Ist aber ein bisschen schwierig.« Max fing Mo’s fragenden Blick auf, rang kurz mit sich und legte dann nach. »Zeit für ’ne Pause?«
»Noch überwacht Schaller mich ja nicht per Satellit«, feixte Mo. »Aber das bringt der garantiert auch noch irgendwann!«
Sie schlossen die Rikschas aneinander, kauften sich Eis an der Bude neben dem Alsterpavillon und hockten sich abseits des Massentrubels aufs Geländer.
»Wann hast du Oleg zuletzt gesehen?« fragte Max.
Mo musste nicht lange überlegen. »Das hat mich der Kommissar auch gefragt. Irgendwann Anfang letzter Woche, Mönkebergstraße, nur so im Vorbeifahren. Was ist denn bloß los bei euch?«
Max erzählte es ihm. Olegs abrupter Abgang nach dem Leichenfund, sein telefonischer Hilferuf aus dem Hirschpark, der brutale Angriff des riesigen Unbekannten, Elkes Überraschungsauftritt und die anschließende Verfolgungsjagd. Mo hörte sich alles kommentarlos an, ohne sich zu regen. Eis tropfte über den Rand seines Bechers und hinterließ eine helle Vanillespur auf seiner dunklen Haut. Es scherte ihn nicht, er blieb voll konzentriert, die dunklen Augen auf einen imaginären Punkt hoch über der Lombardsbrücke gerichtet.
»Ich weiß nicht, wer diese Leute sind, um was es eigentlich geht und was Oleg damit zu tun hat«, schloss Max seinen Bericht, »aber gerade deshalb muss ich ihn finden! Hilfst du mir dabei, unter den Kollegen zu
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