Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Rikschamann

Der Rikschamann

Titel: Der Rikschamann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Schroeter
Vom Netzwerk:
dem Ablasshahn und Heißwasserspeicher faszinierte ihn schon damals mehr als jede Dampflok. So viel fantastischer Schnickschnack für ein Tässchen Tee! Seine Mutter schmiss bei Bedarf immer bloß ein paar Beutel in die Kanne.
    »Er hat Spielschulden«, gestand Sonja Wolff ein. »Ich sollte dir das eigentlich nicht sagen. Ich glaube, er schämt sich deswegen.«
    Der schämt sich vor gar nichts, dachte Max. »Wie viel?«
    »Dreitausend Euro.«
    »Und, hast du…?«
    »Ich hätte bestimmt«, gab sie zerknirscht zu, »aber ich hab’ nun mal nicht soviel Geld! Zweihundert hab’ ich ihm zugesteckt, mehr ging nicht!«
    »Wem schuldet er das Geld? Wo spielt er und mit wem?«
    »Ich weiß das nicht! Manchmal erzählt er von einem Club, so was für feine Leute. Ich dachte, er ist da vielleicht manchmal mit dir zusammen.«
    »Wie heißt dieser Club?«
    Sonja Wolff hob bedauernd die Schultern. Max stemmte sich aus dem Sessel.
    »Ich muss wieder los, Tante Sonja.«
    »Max…«
    Sie kam um den Tisch herum, legte ihm die Hände auf die Schultern und sah zu ihm herauf, mit müden Augen. Max erinnerte sich plötzlich wieder an die energiegeladene Sonja von einst, die den beiden staunenden Jungen wilde Kosakentänze beigebracht und mit ihnen gesungen hatte: Kalinka, kalinka maja…
    »Max. Du bist ein guter Junge. Ich war immer so froh, dass mein Oleg so einen Freund hat. Aus anständigem Haus und Herz aus Gold. So einen Freund braucht man im Leben. Ihr seid doch noch Freunde, du und mein Oleg?«
    Max hielt ihren traurigen Blick nur schwer aus. »Ich muss los, Tante Sonja. Mach’ dir keine Sorgen.«
    Sie nahm die Hände von seinen Schultern. »Mutter sein heißt sich Sorgen machen. Immer. Komm bald wieder, Maxi.«
    Max nickte nur und machte, dass er aus der Wohnung kam. Im Glaskasten neben dem Hauseingang saß immer noch der Hausbetreuer, er sah dem jungen Mann entgegen und salutierte lässig mit zwei Fingern an einer imaginären Hutkrempe. Max hatte plötzlich eine Idee und betrat kurzentschlossen Uhus Allerheiligstes.
    »Sag mal, Uhu – dieser Nobelclub, in den Oleg seine Mädels vermittelt hat, wie heißt der?«
    »Keine Ahnung. Ist nicht meine Welt.«
    »Aber du könntest es rauskriegen! Kennst doch hier jeden.«
    »Könnte ich«, stellte Uhu nicht ohne Stolz klar und peilte listig zu Max hoch, »aber was hab’ ich davon?«
    »Ist deine Erika immer noch so schlecht zu Fuß?« Das war Uhus ganzer Kummer, wusste Max – seine Frau war nach einem Schlaganfall zwar geistig wieder voll da, verließ aber kaum noch die Wohnung, weil sie ihren Rollstuhl hasste.
    Der Uhu zog ein betrübtes Gesicht. »Ich sag immer, komm mit, Mädchen, ich seh’ doch auch Scheiße aus, aber sie traut sich einfach nicht mehr!«
    »Wann habt ihr zuletzt einen Ausflug gemacht?«
    Uhu winkte deprimiert ab. »Gar nicht drin!«
    »Du kriegst raus, wie der Nobelclub heißt. Und ich kutschiere Erika und dich sonntags durch den Klövensteen. In der Rikscha sieht keiner, dass sie nicht richtig laufen kann!«
    Uhus Augen strahlten durch die Flaschenglasbrille. »Du, das wär’ was!«
    »Abgemacht?« Max streckte ihm die Hand hin, der Uhu schüttelte sie erfreut.
    »Abgemacht! Gib’ mir deine Nummer, ich ruf’ dich an.«
    Max kritzelte seine Handynummer auf den Rand eines Groschenromans, den Uhu gerade in der Mache hatte, und ging hinaus zum Gelben Ungetüm. Kaum hatte er die Rikscha zur Straße geschoben, hielt neben ihm ein Wagen. BMW Z 3, Metallicrot. Vergoldete Sportfelgen, auf denen das Sonnenlicht funkelte. Der Anblick der Speichenräder löste in Max die Alarmklingel aus. Der Anblick der Fahrerin verschlug ihm den Atem. Ihre windzerzauste, schwarze Haarmähne flatterte wie ein Werbebanner fürs offene Cabriofahren – und genau das tat sie ja auch, was Max ungehinderte Aussicht auf ihre reizvolle Figur ermöglichte, die in einem körperbetonten, lavendelfarbenen Hosenanzug steckte. Den goldenen Reißverschluss über dem üppigen Dekolleté verwegen weit geöffnet, beugte sich die Fahrerin über den freien Beifahrersitz Max entgegen, schob die Gucci-Sonnenbrille über den Pony und bestaunte das Gelbe Ungetüm.
    »Die komische Kiste kenne ich doch«, wunderte sie sich und schenkte Max ein neckisches Augenzwinkern. »Da war sie aber noch nicht so kaputt an der Seite!«
    »Ihre Kiste kenne ich auch«, Max kopierte ihr Zwinkern. »Da stand sie aber noch in der Werkstatt!«
    »Moment mal.«
    Sie stellte den Motor ab, stieg aus dem Z 3 und kam hüftschwingend

Weitere Kostenlose Bücher