Der Ring
Beringten verflucht … fast ganz unmöglich.“ Jedesmal, wenn er den Ring vergaß, bereute er es. Schon hörte es auf, ein Spiel zu sein, und fing an, ihn rasend zu machen. Fünf Jahre diese Nörgelei? „Schön, vergessen wir’s im Moment. Ich kenne die Familie, aber das hilft mir nichts. Sehen wir uns das Ballett an.“
Der Einlaß durch einen rotuniformierten Robot war Formsache. Der Bulle führte ihn den plüschigen Saal hinunter und über einen plüschigen Aufzug hinauf zu einem funkelnden Glastik-Balkon. Die Bühne war weit unten. Offenbar wurde diese Entfernung nicht als „direktes“ Zuschauen eingestuft.
Der Trivisions-Monitor holte alles viel näher heran, falls man lieber zu ihm hinübersah. Jeff tat es. Tri- oder Dreivision: Schall, Bild und Lebensechtheit – was bedeutete: Stereophonisches Hören, dreidimensionales Farbfernsehen und ausgewählte Zusatz-Effekte, wie etwa Geruch und eine Schaltung für den Tastsinn. Manche nannten es SSG – Schall, Sicht und Gestank.
Wie man es auch nannte, es funktionierte. Der Bildschirm maß zwei Meter im Quadrat. Es war, als blickte man durch ein offenes Fenster; er schreckte zurück, als ein Tanzschuh auf ihn zukam und ein parfümierter Luftzug an seinem Gesicht vorbeiwehte. Er legte eine Hand auf das Kontaktbrett für den Tastsinn und fühlte Vibrationen, sobald harte Zehen auf den Fußboden der Bühne aufprallten.
Die Mädchen tanzten Pirouetten und wirbelten in den leichten traditionellen Ballettröckchen herum, einer Ausstattung, die sich seit Jahrhunderten nicht verändert hatte. Die Kamera des Monitors befand sich auf einer Ebene mit dem Boden, angeblich, um die ausgeklügelten Bein-Bewegungen einzufangen. Diejenigen, die mehr erhofften, erwartete eine Enttäuschung, soviel sah er bald; es gab keinen Blickwinkel, von dem aus eine Ballett-Tänzerin undelikat zu sehen war. Oh, er wußte, es hatte einmal Nacktballetts gegeben, aber das war eine vorübergehende kommerzielle Mode gewesen.
Die leicht veränderte Schwerkraft auf der Bühne ermöglichte es den Mädchen, sanft hochzuspringen und sanft auch wieder herunterzuschweben. Jeff sah entzückt zu, obgleich dies weit von dem entfernt war, was auf Alpha IV „Unterhaltung“ genannt wurde. Nach einiger Zeit sah er Pamela.
Zuerst erkannte er sie nicht. Sie war im Hintergrund herumgewirbelt, während die anderen als fröhlich hüpfende Nymphen und Najaden durcheinanderhuschten und -flatterten. Dann war sie plötzlich die vorderste Tänzerin, ihre langen Glieder blitzten und ihr schimmerndes Haar drehte sich um das kameenhafte Gesicht, lebendig und üppig. Er streichelte das Tastbrett und fühlte die lackglänzenden Flechten wie feine Seide, die steifen Rüschen des Ballettröckchens. Er roch Kiefernnadeln und hörte den Rhythmus zart pochender Zehen, sah in Großaufnahme das glatte Spiel der Muskeln in Schenkel und Wade.
Dies war ein anderes Geschöpf als das bescheidene Mädchen, das im Gericht neben seinem Vater gesessen hatte. Dort war sie ein eingesperrter Vogel gewesen; jetzt flog sie.
Ein muskulöser junger Mann in engen Hosen tanzte eine Verfolgungsszene mit ihr. Sie schwebte zu ihm hin, wurde gefangen und leichthin fortgeschleudert, beugte sich über einen waagerechten Unterarm zurück; ein Bein zeigte himmelwärts. Jeff sah und lauschte und roch und fühlte und stellte sich vor, daß die Kostüme sich auflösten und er selbst der männliche Tänzer sei. Er erwartete, daß der Ring dagegen sein werde, aber von dem Ring kam nichts.
Die Applaus-Konserve brach aus dem Monitor heraus, und dahinein mischte sich das echte Klatschen auf dem Balkon um ihn her. Es kam ihm zu Bewußtsein, daß die Vorführung vorbei war. Jetzt war es für ihn soweit. Er ging zum Geländer und winkte über die Entfernung, die zwischen ihnen lag.
Pamela blickte nicht hoch. Dann, wie durch ein Wunder, sah sie doch in seine Richtung. Sie sah ihn, dessen war er sicher. Erkannte sie ihn aus dieser Entfernung?
Er wandte sich dem Bildschirm des Monitors zu. Sie war noch darauf zu sehen. Ja – ihre Lippen zitterten, und ihr Gesicht war mit einem Mal von Furcht überzogen. Sie erkannte ihn.
Mit schneller Nervosität raffte sie ihren Ballettrock um sich und hastete von der Bühne und in die Kulissen, wohin weder der Mann noch der Monitor ihr folgen konnten.
Jeff fluchte im Stillen. Er packte seine schmerzpuckernde Hand, weigerte sich aber, seine Stimmung zu unterdrücken. Er hatte ihr doch gar keine Angst machen wollen! Er
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