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Der Ring

Der Ring

Titel: Der Ring Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Margroff und Piers Anthony
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sie für ihre Geburt. Sie zahlte ihrer Mutter gegenüber, ihren Schulfreunden und den Eltern anderer Kinder gegenüber. Sie wußte irgendwie, daß ein Unrecht geschehen war, und daß sie dafür bezahlen mußte, obwohl sie das Opfer war und nicht der Täter. Sie wuchs in dem Gefühl auf, daß eines Tages diese Rechnung beglichen werden mußte, daß sie sich holen mußte, was man ihr verweigerte. Also ging sie hin, um es sich zu holen, Jeff – unsicher, was es eigentlich war, aber entschlossen. Alice machte sich auf, um sich zu holen, was ihr zustand.“
    Jeff hörte zu und wunderte sich. Erzählte sie mit Absicht seine eigenen Erfahrungen in leichter Abwandlung nach? Sein Vater war in Schimpf und Schande davongejagt worden; ihrer hatte praktisch nie existiert. Er hatte gewußt, daß da eine Rechnung zu präsentieren war; Alice auch. Er hatte sich aufgemacht, um seine Lage auf eigene Art zurechtzurücken; sie auch.
    Oder war das einfach die Straße, die alle Ringträger gingen, das Grundmuster, von dem immer nur die Namen und Daten abgewandelt wurden, damit es auf den einzelnen zutraf?
    „Alice wurde ein Callgirl, Jeff – aber kein gewöhnliches. Nicht auf legale Art, keine Geschäftsfrau in der Lust-A.G. Sie verkaufte nicht zweimal die Woche ein paar Momente vorgetäuschter Liebe, statt für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten. Oh nein, Alice fing es schlauer an. Sie war ihre eigene Agentur, und sie suchte sich die Kunden sorgfältig aus. Sie bot keinen Gegenwert für das Geld, nicht einmal den einfachen Gegenwert, den man von einem Callgirl erwartet. Statt dessen bediente sie sich das alten Tricks mit dem Betäubungsmittel im Glas des Kunden, und dann machte sie sich schnell mit seinem Geld aus dem Staub – mit dem Geld, das ihr nach ihrer Überzeugung gehörte. Sie suchte sich Männer aus, die große, überall einwechselbare Geldscheine mit sich herumtrugen; manchmal mußte sie sie mehrmals treffen, um da ganz sicher zu sein. Sie blieb Jungfrau und hatte ein ganz nettes Einkommen – im Alter von noch nicht zwanzig.“
    Eine Abwandlung der Strolche im Park! Die Jungen streiften dort auf der Suche nach einsamen oder hilflosen Fremden herum, die Mädchen brachten ihre Bösartigkeit auf feinere Art zur Geltung. Das deckte sich nicht ganz mit seinen eigenen Erlebnissen. Ihre Geschichte war wirklich, nicht gleichnishaft.
    „Nur einmal klappte es nicht. Einmal – und nur einmal – erwischte mich so ein Typ dabei, wie ich ihm was ins Glas tat. Er lachte, Jeff – dann schlug er mich, genau so, wie ich mal einen Mann meine Mutter hatte schlagen sehen. Dann nahm er mich mit Gewalt. Als er mit mir fertig war, ging er an meine Geldtasche. Da war eine Menge Geld drin, weil ich ein offizielles Sparkonto ja nicht riskieren konnte. Das erstaunte ihn – und als er es zählte, stand ich auf, zog mir die Schuhe aus und schlich mich mit einer Taschenlampe hinter ihn. Das war die kleine, schwere Art von Taschenlampe, deren Energie aus Radiosendungen kommt. Ich schlug ihm damit über den Schädel; er war sofort bewußtlos. Ich hätte sein Geld nehmen und ihn liegen lassen sollen – aber er hatte mich geschlagen und vergewaltigt, und ich war blind vor Scham und Wut. Mir kam es so vor, als ob dieser häßliche Mann auf dem Boden alle die häßlichen Männer wäre, die je unschuldigen Frauen Schmerz zugefügt haben.“
    Sie holte Atem und beendete ihre Geschichte. „Als die Polizei kam, war ich mit Blut und grauem Zeug bespritzt, und er war längst tot. Von seinem Gesicht war kaum noch etwas zu erkennen.“
    „Und da bist du beringt worden“, sagte Jeff, dem das gegen den Strich ging. „Aber auf eine Weise warst du doch unschuldig. Du …“
    „So unschuldig, wie jemand eben sein kann, der ein schreckliches Verbrechen begangen hat. Aber ist das wirklich Unschuld, wenn man sich auf eine Art von Gemeinheit beruft, um eine andere Art von Verbrechen zu begehen? Wenn man anständigen Lösungsmöglichkeiten ausweicht und scheinbar zweckmäßigere vorzieht? Ist das Unschuld, Jeff?“
    Er war still.
    „Du bist verwirrt, nicht, Jeff? Du machst dir Gedanken darüber, ob dein Tatmotiv so ganz sauber war. Du denkst, daß die Entführung, die du vor hattest, vielleicht doch nicht so vernünftig war, wie du gemeint hast. Du hast nie versucht, auf ehrliche Art an McKissic heranzukommen.“
    „Glaubst du denn wirklich, daß der meinen Anteil an den Allgemeinen Kreiselmotoren herausgegeben hätte, nachdem er meinen Vater darum betrogen und

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