Der Ring
Grund, sie aus allem herauszuhalten. Er wußte, daß sie an dem Ding in dem Moment herumstocherte, in dem er davon wegging. Aber wenigstens konnte er seine Meldung richtig machen.
Er ging hin und darum herum, um sich das Schild hinter der eingedrückten Kuppel anzusehen. Da sah er das wasserverdünnte Blut heruntertropfen.
Alice Lang saß in ihren Hotelzimmern und starrte verloren ihr Telefon an. Sie konnte es auch gleich zugeben, dachte sie: Ihre Tage als wollüstige und begehrte Frau waren vorüber. Selbst wenn sie von dem Ring frei kam, hatte sie dazu nicht mehr das Temperament. Nicht länger das Flair, einen Mann zu verlocken. Doch sie hoffte, daß Jeff anrief, wenn er schon nicht zurückkam. Es war immerhin ihr Wagen, den er fuhr.
Nein, dachte sie, als sie in dem Dreiviertel-Spiegel ihr blondes Haar betrachtete. Sie war nicht die einzige Frau in Jeff Fonts Leben, und Pamela McKissic – das war kaum etwas, was ein mannhafter Typ auf die leichte Schulter nahm. Jeff mußte es erst noch klar werden, welch einen Unterschied der Ring ausmachte.
Angenommen, das McKissic-Mädchen heiratete ihn wirklich – und in Anbetracht ihres Krankenhausbesuches und Jeffs Frage, ob sie in ein fremdes Bett steigen würde, war dies deutlich eine Möglichkeit –, dann mußte sie doch der Angelegenheit schnell müde werden. Keine freie Frau hatte Freude daran, ständig wegen kleiner Verstöße gegen irgendwelche Bestimmungen angezeigt zu werden. Jeffs wegen mußte sie dann aufhören, Spazierfahrten mit unerlaubten Geschwindigkeiten zu unternehmen, in Gunnardorfer Läden verbotene Feinheiten einzukaufen und Firmengelder für private Parties herzunehmen. Alle Kinder reicher Leute hielten so etwas für selbstverständlich, und sogar Pamela erlaubte sich mit Sicherheit einiges davon.
Ihre Freunde würden sie mit ihrem gesetzestreuen Sexualleben aufziehen. Der Ringträger Jeff würde nie seine Frau schlagen, beschimpfen oder auch nur zu Unrecht kritisieren – und ein reiches Mädchen brauchte das dann und wann und wollte es auch. Sie mußte einen Herrn und Gebieter zum Ehemann haben. Alice hatte zu viele reiche Mädchen gesehen; diejenigen, die starke, sogar skrupellose Männer fanden, blühten auf – diejenigen, die solche Männer nicht fanden, waren arm dran.
Wie konnte eine Frau auch wirklich Frau sein – wenn sie keinen Mann hatte, der ein Mann war? Der Ring machte aus einem Mann einen gesetzestreuen Bürger, was doch wohl etwas anderes war. Außer für einen anderen Ringträger.
Und sobald Pamela der Neuigkeit müde war, ließ sie sich von ihm scheiden. Die bloße Tatsache, daß jemand Ringträger war, genügte für den anderen Ehepartner juristisch schon als Scheidungsgrund. Vierundzwanzig Stunden, nachdem sie sich so entschieden hatte, würde Pamela wieder frei sein. Er selbst, andererseits, konnte sich nicht von ihr scheiden lassen. Er mußte triftige Gründe angeben – und falls Pamela nicht außerordentlich leichtsinnig oder angeberisch wurde, würde er nichts als Verdachtsmomente präsentieren können. Dafür bestrafte ihn dann der Ring.
Ein Ringträger war der Gefangene seines unberingten Ehepartners, und nur sehr wenige dieser ungleichen Ehen hielten. In diesen wenigen war unweigerlich die Frau der Ringträger, nicht der Mann.
Aber wenn ein Ringträger einen anderen Ringträger heiratete, waren die Bedingungen für beide gleich. Es gab ein ganz besonderes gegenseitiges Verstehen und absolut keinen Konflikt über dem Buchstaben des Gesetzes. Der Mann brauchte sich keine Gedanken über die Treue seiner Frau zu machen, da Ehebruch offiziell noch immer ungesetzlich war; die Frau konnte sicher sein, daß ihr Mann nie in zweifelhafte Vorhaben verwickelt war. Beide hatten Sicherheit – weil sie Ring-träger waren. Es gab nur wenige Ehen unter Ringträgern, weil es wenige heiratsfähige Ringträger gab – aber eine Ringträger-Scheidung mußte es auch erst noch geben.
Alice nahm eine Strähne ihres Haares und dachte an die Herrlichkeit von früher. Heute war es kurz und ziemlich kunstlos frisiert. Sie hatte es abschneiden lassen in dem Glauben, daß nach ihrer Beringung Männer nicht mehr Teil ihres Lebens wären – bis sie Jeff begegnet war. An ihm war etwas fast schon Vertrautes gewesen, das sie in seinen Bann gezogen hatte. Eine Frau brauchte nicht kriminell oder reich zu sein, um einen kraftvollen Mann zu begehren.
Diese düstere, disziplinierte Existenz – sie hatte sich einzureden versucht, daß sie damit
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